von Ramon Bauer, Alexandra Prinz und Franz Trautinger
#WienInZahlen-Chart Story (03/2023)
Neue kleinräumige Karten zeigen das Generationenmuster in der Ostregion und in Wien anhand der jeweils zahlenmäßig größten Altersgruppe pro Wohngebiet (Zählsprengel). Wien ist das jüngste Bundesland Österreichs, vor allem aufgrund von Zuwanderung.
Anhand von Daten der Landesstatistiken Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Jänner 2022 sind wir der Frage nachgegangen, in welchen Wohngebieten der Ostregion welche Generation die bevölkerungsstärkste Gruppe stellt. Inspiriert von einer Visualisierung des britischen Geographen Alasdair Rae haben wir zwei Karten erstellt, welche die jeweils bevölkerungsstärkste Generation pro „Zählsprengel“ zeigen (das sind kleinräumige statistische Areale unterhalb der Ebene der Wiener Bezirke bzw. österreichischen Gemeinden). Für unsere Analyse haben wir die Wohnbevölkerung in fünf Generationen (Altersgruppen) unterteilt und einmal für die gesamte Ostregion sowie einmal mit Fokus auf die Kernstadt (das Bundesland Wien) dargestellt. Spoiler: Wohngebiete, in denen „Boomer“ die größte Altersgruppe bilden, findet man nur wenige und kaum in zentralen Lagen.
Fünf Generationen
Die Gruppierung der Bevölkerung in Generationen (nach Geburtsjahrgängen) stellte sich für unsere Analyse als nicht ganz einfach heraus: Zum einen gibt es keine allgemeingültige Definition und zum anderen entscheidet die Abgrenzung der Generationen über das Ergebnis einer solchen Analyse und damit auch das räumliche Muster der Karte. Für unsere Analyse haben wir die Einteilung des unabhängigen amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center verwendet. Allerdings startet die Generation der „Babyboomer“ in unserer Kategorisierung erst mit dem Geburtsjahr 1949 – und nicht wie in den USA 1945 -, da in Österreich die Geburtenzahlen nach Ende des 2. Weltkrieges nicht so rasch angestiegen.
Die älteste Generationenkategorie sind die Seniorinnen und Senioren der Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit (Alter 73 Jahre und älter), die den Zweiten Weltkrieg oder seine unmittelbaren Folgen noch selbst erlebt haben. Die „Babyboomer“ (Alter 57 bis 72 Jahre) sind die Kinder dieser Generation, die während und nach dem Wiederaufbau in der „Wirtschaftswunderzeit“ aufwuchsen. Die darauffolgende Generation X (Alter 41 bis 56 Jahre) wird manchmal als die ersten „Schlüsselkinder“ bezeichnet, da ihre Mütter immer öfter berufstätig waren. Die Generation Y (Alter 25 bis 40 Jahre) sind die Kinder der „Babyboomer“, und die erste Generation, die durch das Internet geprägt war. Die nach und um die Jahrtausendwende geborene Generation Z (Alter unter 25 Jahre) gilt in der öffentlichen Debatte als „zielstrebiger“ als ihre Vorgängergenerationen. Wo diese fünf Gruppen in Wien und der Ostregion zahlenmäßig am stärksten vertreten sind, haben wir ausgewertet und visualisiert (Näheres dazu im Kasten unten).
Generation Y dominiert die Innenstadt
Der Blick auf die erste Karte zeigt Wien als gelben Kern in der bunten Ostregion: Die Generation Y (Alter 25 bis 40 Jahre) dominiert die Innenstadt. Hinter der Stadtgrenze im niederösterreichischen Umland zeigen sich deutliche Ost-West-Unterschiede: Im Wienerwald bzw. dem Industrieviertel (westlich und südlich von Wien) weist die Generation X (41 bis 56 Jahre) meist den höchsten Bevölkerungsanteil auf, im Weinviertel (u. a. Marchfeld) dagegen wieder die jüngste Gruppe, die Generation Z. Dies könnte ein Hinweis auf die Attraktivität der Region östlich der Hauptstadt für Familien mit Kindern sein. Die „Babyboomer“ (Alter 57 bis 72 Jahre) stellen schließlich in vielen Gebieten des nördlichen Weinviertels und im Nordburgenland um den Neusiedler See die zahlenmäßig größte Altersgruppe dar. Diese „Boomer“-Regionen sind auch nahezu die einzigen im gewählten Kartenausschnitt, die im vergangenen Jahrzehnt Bevölkerungsrückgänge verzeichneten.
Wien ist keine Stadt der „Boomer“
Die Bevölkerungspyramide von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland bietet detaillierte demographische Einblicke über unsere gewählte Generationeneinteilung und die Unterschiede zwischen den drei Bundesländern der Ostregion. Wien ist – wieder einmal – anders, wie wir in der Karte oben schon festgestellt haben: Die Generation Y (25- bis 40-Jährige) stellt mit 26 % der Wiener Bevölkerung einen deutlich höheren Anteil als in den anderen beiden Bundesländern (jeweils knapp unter 20 %).
In Wien ist gerade einmal 26 % der Bevölkerung älter als 57 Jahre („Babyboomer“ & Seniorinnen und Senioren); in Niederösterreich und im Burgenland liegt der Anteil dieser beiden älteren Generationen bei 33 % bzw. 36 %. Wien ist nicht zuletzt deshalb mit 41,17 Jahren Altersdurchschnitt das jüngste Bundesland Österreichs, das Burgenland das älteste (45,96 Jahre). Grund ist die überwiegend junge Zuwanderung nach Wien – die höchsten Wanderungssalden verzeichnete die Bundeshauptstadt im vergangenen Jahrzehnt in der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen (darunter auch viele Studentinnen und Studenten aus Rest-Österreich und Deutschland). Der Anteil der im Ausland Geborenen lag in Wien Anfang 2022 bei 38 %, in Niederösterreich und dem Burgenland bei jeweils knapp unter 15 %.
Wiener Generationen-Zwiebel
Die räumliche Verteilung der Generationen in Wien offenbart ein „Zwiebelmuster“: In der Inneren Stadt dominieren die „Babyboomer“ und die Gruppe der Seniorinnen und Senioren. Darum herum, in den Innenbezirken und den Gürtel-nahen Grätzeln der Vororte, ist die Generation Y, also die 25- bis 40-Jährigen am stärksten vertreten. Die nächste Schicht, in den westlicheren Vororten, dominiert die Generation Z – die 0- bis 24-Jährigen. Ein hoher Anteil dieser Gruppe ist ein Hinweis, dass dort viele (junge) Familien leben.
Dieses räumlich geschichtete Generationenmuster ist allerdings in „Transdanubien“ (Floridsdorf und Donaustadt) nicht zu erkennen; die Generations-Altersgruppen treten dort ohne räumliche Regelmäßigkeit oder bestimmte Konzentration auf. Die seltener vorkommenden dunkelroten Zählsprengel, wo die Seniorinnen und Senioren (73+ Jahre) die stärkste Generation bilden und die vor allem innerhalb der Stadtgrenzen anzutreffen sind, deuten auf (größere) Altersheime hin.
Dass die Generation Y der 25- bis 40-Jährigen in den Gegenden um den Gürtel so stark vertreten ist, überrascht nicht: Die bereits erwähnten überwiegend jungen Zuwanderer siedeln sich besonders häufig in den Gürtel-nahen Vorortegrätzeln (Außenzuwanderung) bzw. in den Innenbezirken (Binnenzuwanderung) an.
Warum zeigen wir nicht das Durchschnittsalter, sondern die bevölkerungsstärksten Generationen?
- Das arithmetische Mittel ist – nicht zuletzt im Alltag – der am weitesten verbreitete „Durchschnittsindikator“, birgt aber oft seine Tücken. In der deskriptiven Statistik gibt es daher weitere Verteilungsmaße (z. B. Median). Der wahrscheinlich am wenigsten gebräuchliche Indikator ist der „Modus“ oder „Modalwert“, der den häufigsten Wert in einer Verteilung angibt.
Für unsere Chart Story haben wir eine Art des Modus verwendet, die wir einer Arbeit des britischen Kartographen Alasdair Rae entnommen haben: Welche „Generationen“ (Altersgruppe) stellt die meisten Einwohnerinnen und Einwohner in einem Gebiet? Im Vergleich zum klassischen Mittelwert lassen sich die Ergebnisse kontrastreich und intuitiv auf einer Karte darstellen – Unterschiede und Besonderheiten sind deutlich zu erkennen.
Weiterführende Informationen
Wien, größte Stadt des Burgenlandes: Über „Zuagraste“ in der Hauptstadt
Für immer jung? Wien trotzt der Bevölkerungsalterung
Monatliches Bevölkerungsmonitoring Wien
Alle Bevölkerungsdaten der Wiener Landesstatistik
Auf dem Weg zurück zur Zwei-Millionen-Stadt – die Entwicklung der Wiener Bevölkerung:
Teil 1: Eine Metropole entsteht (1850–1910)
Teil 2: Das Comeback einer demographisch gealterten Stadt (1910–2018)
Teil 3: Ein Blick in die Zukunft der Wiener Bevölkerung (2018–2048)
Zu den Autoren
- Ramon Bauer ist Leiter der Landesstatistik Wien in der Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien.
@metropop_eu - Alexandra Prinz arbeitet in der Landesstatistik Wien (MA 23).
- Franz Trautinger arbeitet in der Landesstatistik Wien (MA 23)
Ein Kommentar
Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren,
Ihnen ist wieder einmal ein sehr guter Artikel über die Demographie Wiens gelungen, diesmal ein wenig ausufernd über die Kernstadt, wie Sie
Wien bezeichnen, hinaus.
Ein wenig Anstoss nehme ich allerdings bei der Definition der Babyboomer. Wie man den Zahlen der Statistik AUstria, bis 1961 zurückgehend
und den bebilderten Jahrbüchern der 50ziger Jahre – Gratulation an diese Jahrbucherstellungsgeneration – entnehmen kann, kann man eigentlich nur in den
60ziger Jahren von der Generation der Babyboomer reden (also Jahrgänge 1961 bis 1968/69).
Etwas unscharf könnte man sagen, ein Babyboomer ist derjenige, der als er noch nicht erwachsen war dennoch wusste, das Kreisky langsam redete.
Das führt mich gleich zu zwei weiteren Problematiken.
1) Man wirft alle, die in einem gewissen Jahr geborene zusammen, ohne zu bedenken, ob man in den Herkunftsländern, insbesondere aussereuropäischen
auch vom Phänomen der boomer sprechen kann (manche dieser Länder boomten ja relativ beständig vor sich hin)
Vielleicht könnte man eine Karte nur mit im Inland geborenen machen.
2) Der andere Punkt ist, dass die Generationenklassen nicht gleich groß sind, wie Sie auch, wenn auch sinnvollerweise gerundet, richtig ausgerechnet haben
, wie man in der wunderbaren Karte „Das Wiener Generationenmuster“ sehen kann.
Es ist einerseits richtig, hier Absolutzahlen zu nehmen, allerdings bei ungleich grossen Klassen fällt es den kleineren schwerer irgendwo zu dominieren.
Zum Abschluss noch hat mich die Wendung
in Wien ist gerade einmal 26 % der Bevölkerung älter als 57 Jahre („Babyboomer“ & Seniorinnen und Senioren)
insbesondere der Teil in der Klammer, ein 70zig jähriger Boomer gilt scheinbar nicht als Senior, gefallen hätte mir auch, die Senioren als Generation „Traue keinem über 30“
zu bezeichnen.
MfG
Kurt Hahn