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Potenzial einer Arbeitszeitverkürzung für den Wiener Arbeitsmarkt

von Maximilian Mayerhofer

Ein erheblicher Teil der Erwerbstätigen in Österreich und Wien wünscht sich eine Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit. Einige wollen ihre Stunden erhöhen, ein größerer Teil jedoch wünscht sich eine Reduktion der gearbeiteten Stunden. Durch eine Verkürzung der Arbeitszeit könnten zahlreiche neue Jobs auf dem Wiener Arbeitsmarkt entstehen.

Wunsch nach weniger Arbeit dominiert

„Würden Sie gerne mehr, weniger oder gleich viele Stunden pro Woche arbeiten, auch wenn sich Ihr Einkommen dann ändert?“. Diese Frage wird seit 2021 von Statistik Austria in der regelmäßig durchgeführten Haushaltsbefragung des Mikrozensus erstmals zusätzlich zur Antwortmöglichkeit „mehr Stunden“ mit den Antworten „weniger“ oder „gleich viele“ Stunden gestellt. Sie gibt damit einen detaillierten Einblick in die Arbeitszeitwünsche von Erwerbstätigen in Österreich und den Bundesländern. Denn ein beachtlicher Teil der Arbeitenden wünscht sich ein anderes Stundenausmaß, möchte also entweder mehr oder weniger Stunden pro Woche arbeiten. Österreichweit wünschen sich ca. 15 % der Erwerbstätigen eine Reduktion ihrer Arbeitsstunden, 7 % hingegen möchten Stunden aufstocken. Dabei zeigen sich auch regionale Unterschiede: In Wien etwa ist der Wunsch nach anderem Stundenpensum größer als im Österreich-Schnitt. Hier möchte in Summe rund ein Viertel der Erwerbstätigen eine Änderung der Arbeitszeit, 17 % möchten weniger, 10 % mehr Stunden arbeiten. Gemeinsam haben alle Bundesländer, dass der Anteil der Erwerbstätigen mit Wunsch nach weniger Wochenstunden überwiegt.

Unterschiede in Branchen

Der Blick auf die Branchen lässt deutliche Unterschiede erkennen, wobei grob drei Gruppen festgemacht werden können. Branchen, in denen: (i) der Wunsch nach mehr Wochenstunden dominiert (ii), der Wunsch nach weniger Wochenstunden dominiert, sowie (iii) die beiden Wünsche nahe beieinanderliegen. Dabei zeigt sich ein Zusammenhang des Arbeitszeitwunsches mit dem Einkommen. Während in der Beherbergungs- und Gastronomiebranche, in welcher die niedrigsten Nettoeinkommen anfallen, der Anteil von Erwerbstätigen mit Wunsch nach einer Stundenerhöhung dominiert, ist dies bei den Branchen mit höheren Einkommen umgekehrt. In der Informations- und Kommunikationsbranche, die ein besonders hohes Einkommen aufweist, wünschen sich mehr als 25 % der Erwerbstätigen geringere Arbeitsstunden und nur 7 % eine Aufstockung.

Zusätzliche Jobs durch Arbeitszeitverkürzung?

Wie viele Jobs könnten hypothetisch durch eine Verkürzung der Arbeitszeit in Wien entstehen? Wird die gewünschte Stundenreduktion jener Erwerbstätigen gesammelt, die angeben, ihre Arbeitszeit trotz Gehaltseinbußen reduzieren zu wollen, könnte das freiwerdende Stundenvolumen für die Schaffung zusätzlicher Beschäftigung verwendet werden. Das dadurch entstehende Reduktionsvolumen an Stunden kann für jede Branche durch die durchschnittliche Branchen-Arbeitszeit dividiert werden, um so die Zahl an potenziellen zusätzlichen Jobs abzuschätzen.

Insgesamt könnten so in Wien der Größenordnung nach ca. 45.000 Jobs geschaffen werden. Zum Vergleich: während der Hochkonjunktur der Jahre 2016-2019 sind durchschnittlich rund 17.000 Beschäftigungsverhältnisse pro Jahr in Wien entstanden. Obwohl diese Jobs lediglich eine Größenordnung darstellen, ist die Dimension dennoch beträchtlich. Die tatsächliche Zahl an entstehenden Jobs ist letztendlich von vielen Faktoren abhängig, etwa davon, ob sich die Produktivität der Erwerbstätigen durch die Stundenreduktion erhöht. Das könnte durch eine erhöhte Arbeitsmotivation der Fall sein. Steigt die Produktivität, dann ließen sich letztlich auch weniger zusätzliche Jobs generieren. Eine Rolle spielen aber auch die finanziellen Mittel der Unternehmen oder die Arbeitsbedingungen.

Wo würden nun Jobs entstehen? Die meisten Jobs würden in großen Branchen wie den freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen (+5.500), dem Handel (+5.100) oder dem Gesundheits- und Sozialwesen (+3.800) entstehen. Die Anzahl der entstehenden Jobs hängt sowohl von der Branchengröße (Anzahl der Erwerbstätigen) als auch vom Ausmaß der gewünschten Stundenreduktion je Erwerbstätigen ab. In Branchen mit nur sehr wenigen Erwerbstätigen entstünden daher auch nur sehr wenige zusätzliche Jobs.

Wie stark könnte die Arbeitslosigkeit sinken?

Als Gedankenexperiment kann weiters abgeschätzt werden, um wie viel die Arbeitslosigkeit in Wiener Branchen durch eine Arbeitszeitreduktion sinken könnte. Dazu wird zunächst angenommen, dass Erwerbstätige, die ihre Stunden erhöhen möchten, auf die frei werdenden Stunden jener Personen zurückgreifen können, die ihre Stunden in derselben Branche reduzieren möchten. Erhöhte und reduzierte Stunden werden also einander gegengerechnet, das heißt innerhalb der Branche umverteilt. Erst das resultierende Stundenvolumen („netto“) würde zur Reduktion der Arbeitslosigkeit verwendet werden.

Nach dieser Berechnung könnten in jenen Branchen, in denen der Wunsch nach einer Stundenerhöhung jenen nach einer Stundenreduktion überwiegt, insgesamt ca. 15.000 potenzielle Jobs entstehen. Deutlich weniger als zuvor, da nun angenommen wird, dass frei werdende Stunden zunächst innerhalb der Branche umverteilt werden. Grundsätzlich wird etwa ein Drittel der jährlichen Beschäftigungsaufnahmen in Wien von Arbeitslosen besetzt, während zwei Drittel aus anderer Beschäftigung oder Nicht-Erwerbspersonen kommen. Wird diese Annahme auch hier getroffen und von den 15.000 Jobs ein Drittel mit Arbeitslosen besetzt, könnte die Arbeitslosigkeit je Branche immer noch deutlich reduziert werden.

Eine besonders große Senkung der Arbeitslosigkeit würde demnach in den Branchen Öffentliche Verwaltung (-37,1 %), Information und Kommunikation (-28,7 %) sowie den freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen (-14,9 %) erfolgen. Hervorzuheben ist hier jedoch die zugrundeliegende Annahme, dass arbeitslose Personen hinsichtlich ihrer Qualifikation, Arbeitserfahrung und anderen Merkmalen auch tatsächlich in den jeweiligen Job wechseln könnten. In der Branche Energieversorgung würde die Arbeitslosigkeit gemäß Berechnung gar vollständig verschwinden, was vor allem an der sehr niedrigen Zahl arbeitsloser Personen in der Branche liegt.

Erhebliches Potenzial für den Arbeitsmarkt

Die Berechnungen zeigen, dass eine Reduktion der Arbeitszeit erhebliches Potenzial für den Arbeitsmarkt mit sich bringen könnte. Etwa ein Viertel der Wienerinnen und Wiener hat den Wunsch nach anderer Arbeitszeit, 17 % möchten ihre wöchentlichen Stunden reduzieren. Werden die Stunden aller Erwerbstätigen gesammelt, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, könnten dadurch bis zu 45.000 potenzielle Jobs entstehen. Werden jene Erwerbstätigen gegengerechnet, die ihre Stunden in derselben Branche erhöhen möchten – also die Stunden zunächst innerhalb der Branche umverteilt – könnten immer noch bis zu 15.000 Jobs entstehen. Etwa ein Drittel davon könnte von Arbeitslosen besetzt werden. Die Größenordnung der Berechnungen legen nahe, dass das Ausmaß der durch eine Arbeitszeitverkürzung potenziell entstehenden Jobs in Wien durchaus erheblich ist.

 

Zum Autor

  • Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).

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