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Wien wächst wieder etwas stärker: Bevölkerungsentwicklung 2021 (vorläufige Daten)

  • Bevölkerungswachstum trotz Pandemie: +13.900 Einwohnerinnen und Einwohner
  • Auch 2021 deutliche Übersterblichkeit, kein Geburtenrückgang
  • Wieder mehr Zuwanderung
  • Liesing, Donaustadt, Floridsdorf wachsen am stärksten
  • Übersterblichkeit seit Pandemiebeginn in Wien mit 9 % im europäischen Schnitt, jedoch immer weniger durch COVID-19 erklärbar
  • Todesursachen 2020: COVID-19-Todesopfer im Schnitt 82 Jahre alt, häufiger männlich und im Ausland geboren

Der Bevölkerungszuwachs im Jahr 2021 betrug laut den vorläufigen Daten der Landesstatistik Wien (MA 23) rund 13.900 Personen oder +0,7 %. Am 1. Jänner 2022 lebten etwa 1.935.000 Menschen in der Stadt.

Es handelt sich um das stärkste Bevölkerungswachstum seit 2017, das aber weiterhin deutlich unter dem Zehn-Jahres-Mittel 2011–2020 liegt (+21.809, +1,2 %).

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs ist Wien die fünftgrößte Stadt der Europäischen Union hinter Berlin, Madrid, Rom und Paris. Laut Wiener Bevölkerungsprognose 2018 soll die Zwei-Millionen-Grenze 2027 überschritten werden: Trotz COVID-19-Pandemie ist die Abweichung vom Prognosepfad weiterhin gering. Die nächste kleinräumige Bevölkerungsprognose für Wien ist im Herbst 2022 geplant.

Alle Rohdaten dieser Analyse stehen frei zur Verfügung.

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Das Wachstum setzt sich nach ersten Schätzungen aus folgenden Bestandteilen zusammen:

Komponenten der Bevölkerungsentwicklung 2021

2011-2020
p. a.
2020 2021
(vorläufige Daten)
Gesamtveränderung +21.809 +9.758 +13.900
Geburtenbilanz +3.024 +1.255 +1.500
Geburten +19.483 +19.156 +19.400
Todesfälle -16.459 -17.901 -17.900
Wanderungsbilanz* +18.786 +8.503 +12.400

* inkl. statistischer Korrektur

Der Anteil der Geburtenbilanz am Bevölkerungswachstum liegt mit 11 % unter dem Zehn-Jahres-Mittel 2011–2020 (14 %). Verantwortlich für den absoluten Rückgang der Geburtenbilanz seit 2020 sind die höheren Sterbezahlen aufgrund der COVID-19-Pandemie. Die Wiener Bevölkerung wuchs im letzten Jahr somit wieder in größten Teilen durch Neuzuwanderung.

Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung ist 2021 um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Zum Vergleich: 2011 bis 2020 wuchs der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung jährlich im Schnitt um 0,7 Prozentpunkte. Mit rund 38 % im Ausland geborener Bevölkerung ist Wien neben Brüssel eine der diversesten Millionenstädte der EU.

Das Durchschnittsalter der Wienerinnen und Wiener ist 2021 um rund 0,5 Monate gestiegen und liegt jetzt bei etwas über 41 Jahren. Wien ist das jüngste Bundesland Österreichs vor Vorarlberg und Tirol.

Der Frauenanteil liegt bei 51,0 % und ist damit nahezu unverändert.

Altersstruktur

Die Zahl der 0- bis 14-Jährigen ist gegenüber dem Vorjahr um weniger als 900 Personen gestiegen, der Anstieg bei den 15- bis 39-Jährigen war im Vergleich zum Zehn-Jahres-Mittel 2011–2020 gering.

Vergleichsweise stark wächst weiterhin die Altersgruppe 80+ und zum dritten Jahr in Folge sinkt die Zahl der Stadtbewohnerinnen und –bewohner der Altersgruppe 65 bis 79 Jahre. Der Grund: 2020 rückten die Wienerinnen und Wiener des geburtenstarken Jahrgangs 1941 in die Altersgruppe der Hochbetagten (80+) auf. Dieser sogenannte „Anschlussbabyboom“ setzte sich bis 1944 fort, weshalb die Zahl der Hochbetagten auch in den nächsten Jahren steigen wird.

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Altersgruppe Veränderung
2011-2020
in % p. a.
2021
in %
2021
absolut
0 bis 14 Jahre +1,3 +0,3 +900
15 bis 39 Jahre +1,5 +0,8 +5.200
40 bis 64 Jahre +1,0 +0,8 +5.200
65 bis 79 Jahre +1,1 -1,0 -2.400
80 Jahre und älter +0,7 +5,6 +5.000
alle Altersgruppen +1,2 +0,7 +13.900

Hinweis: Detailanalyse 2021 erst mit endgültigen Daten

  • Die vorläufigen Daten der Bevölkerungsveränderung 2021 basieren auf dem Zentralen Melderegister und Schätzungen der Landesstatistik Wien. Daher wurden sie immer auf 100 gerundet. Die endgültigen Daten werden Mitte 2022 von der Statistik Austria veröffentlicht. Detaillierte Analysen der Bevölkerungsentwicklung sind erst mit diesen Daten möglich: Das bereinigte Melderegister gibt Auskunft über den genauen Bevölkerungsstand und die Bevölkerungszusammensetzung; Geburten und Sterbefälle – hier anhand der Wohnsitzmeldungen geschätzt – werden bis dahin aus dem Zentralen Personenstandsregister ausgewertet.

Wanderungsbilanz

Die vorläufige, geschätzte Wanderungsbilanz lag 2021 mit +12.400 unter dem langjährigen Mittel 2011-2020 von +18.620. Die vorläufigen Daten enthalten aber keine detaillierten Informationen über Zu- und Abwanderungen, sondern ermöglichen nur Vergleiche des Bevölkerungsstandes zu den beiden Zeitpunkten 1. 1. 2021 und 1. 1. 2022.

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Bevölkerungswachstum nach Geburtsland

Die häufigsten Geburtsländer der Neo-Wienerinnen und -Wiener 2021 sind Syrien, Deutschland, Afghanistan und Rumänien. Diese Länder liegen auch im Zehn-Jahres-Mittel 2011-2020 an der Spitze.

Der Zuwachs der Bevölkerung mit Geburtsland Syrien oder Afghanistan ist im Vergleich zu 2020 wieder gestiegen, liegt aber deutlich unter dem Niveau von 2015/2016.

Entgegen dem langjährigen Trend sank die Zahl der Stadtbewohner mit Geburtsland Polen, Ungarn und Serbien/Montenegro/Kosovo – bisher Top-Herkunftsländer der Neuzuwanderung. Dies gilt auch für die Türkei, wobei der Bevölkerungsstand dieser Geburtslandgruppe schon länger stagniert. Die Zuwanderung aus dem wichtigen Herkunfsland Rumänien verringerte sich ebenfalls, der Saldo blieb aber positiv.

Hinweis: Vorläufige „Wanderungssalden“ sind Annäherungen

  • Es handelt sich bei den beschriebenen Daten um Vergleiche des Bevölkerungsstandes am Anfang und Ende eines oder mehrerer Jahre – und daher nur um eine Annäherung an die Wanderungsbilanzen. Weiters muss beachtet werden, dass hinter Wanderungsbilanzen – auch Nullsalden – oft große Bevölkerungsbewegungen stecken, also viele Zuzüge und Wegzüge die sich unter Umständen ausgleichen können. Im Fall der Türkei bedeutet das z. B., dass in den letzten Jahren eher jüngere Menschen zugezogen und ältere weggezogen sind, was im Saldo annähernd 0 ergab.

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Geburten und Sterbefälle

Die Geburtenbilanz ist 2021 wieder positiv, aber fällt mit +1.500 geringer aus als in den Jahren vor der Pandemie: 19.400 Geburten kommen auf 17.900 Sterbefälle. In fast allen Wochen des Jahres 2021 lag die Zahl der Sterbefälle über dem statistisch zu erwartenden Wert, besonders stark zu Jahresende im Zusammenhang mit der COVID-19-Herbstwelle (mehr dazu siehe unten).

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Die häufigsten Babynamen (nach Aussprache) waren 2021 Matteo, Leon und Luka bzw. Sophia, Sara und Hannah. Vorläufige Auswertungen der Landesstatistik zeigen, dass die Coronakrise keine wesentlichen Auswirkungen auf das Fertilitätsverhalten der Wienerinnen gehabt hat.

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Bezirke

2021 ist Wien um 0,7 % oder 13.900 Menschen gewachsen. Dieses Wachstum verteilt sich unterschiedlich auf die 23 Bezirke: Wie in den letzten Jahren legten die sogenannten „Flächenbezirke“ im Osten und Süden der Stadt kräftig zu. Spitzenreiter waren Liesing (+3,1 %), die Donaustadt (+2,6 %) und Floridsdorf (+2,5 %). Bevölkerungsrückgänge waren in innerstädtischen Bezirken und im Westen zwischen Donaukanal und Wienerwald zu verzeichnen, allen voran in der Inneren Stadt (-0,9 %), Margareten (-0,9 %) und der Brigittenau (-0,9 %).

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Dies entspricht grundsätzlich dem vergangenen und prognostizierten Trend: Seit 2009 wuchs Wien vor allem im Süden und Osten. Die Wiener Bevölkerungsprognose 2018 geht mittel- bis langfristig von einer Stagnation in den Innenbezirken und höherem Wachstum in den Außenbezirken aus, insbesondere in Simmering und der Donaustadt. Nachdem es im Zuge des starken Bevölkerungswachstums bis 2017 zur Verdichtung in den Innenbezirken kam, ziehen die Wienerinnen und Wiener nun vermehrt in die neu fertiggestellten Stadtentwicklungsgebiete in den Außenbezirken (sowie ins Wiener Umland).

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Schwerpunkt: Sterblichkeit und COVID-19 in Wien, Österreich und Europa

Mitte März 2020 kam es in Österreich zum ersten Corona-Todesfall. Seitdem erlebte das Land, wie viele andere Staaten in Europa, bereits mehrere COVID-19-Wellen. Die Frage, inwieweit die COVID-19-Pandemie zu einer erhöhten Gesamtsterblichkeit führt, steht im Fokus der öffentlichen Debatte.

Schwierige Datenanalyse: COVID-19-Todeszahlen und Gesamtsterblichkeit

  • Bei der offiziellen Statistik der COVID-19-Todesopfer handelt es sich nicht um eine Vollerhebung. Sowohl Untererfassung als auch Übererfassung sind möglich: Einerseits werden nicht alle Verstorbenen eines Landes auf COVID-19 getestet, d. h. nicht alle COVID-19-Todesopfer sind den Behörden bekannt. Andererseits berücksichtigt die international geläufigste Definition nicht, ob eine Person tatsächlich an COVID-19 oder „mit“ der Krankheit (z. B. an einem Unfall, der nichts mit COVID-19 zu tun hatte) verstorben ist. In der Realität kommt es wohl zu Über- und Untererfassung gleichzeitig, wobei Übererfassung in Österreich vermutlich eine geringe Rolle spielt.

Wöchentliches Mortalitätsmonitoring in Österreich

Der methodische Ansatz der Landesstatistik Wien zur Durchführung eines Mortalitätsmonitorings seit April 2020 ist, für jede Kalenderwoche die statistisch zu erwartende Zahl aller Todesfälle auf Basis der Sterblichkeit der fünf vorhergehenden Jahre zu berechnen. Dabei berücksichtigen wir Änderungen der Altersstruktur, der Lebenserwartung und die Saisonalität. Für die Jahre 2021 und 2022 ist der Referenzzeitraum die Fünfjahresperiode vor COVID-19 (2015–2019), um die Auswirkungen der Pandemie zu bewerten. Zusätzlich geben wir anhand einer Bandbreite die Einschätzung ab, ab wann in einer Woche ein außergewöhnliches Sterbegeschehen – also Über- oder Untersterblichkeit – vorliegt.

Die Daten, die wir für diese Analyse benötigen, stehen derzeit für die österreichischen Bundesländer zur Verfügung. Sie unterliegen einer kleinen Einschränkung: die Auslandssterbefälle sind nicht enthalten. Üblicherweise sterben etwa 3 % der Wienerinnen und Wiener nicht in Österreich, d. h. eventuelle (und unwahrscheinliche) Auswirkungen auf unsere Übersterblichkeitsanalyse dürften gering ausfallen.

Wir sehen, dass die Muster der Sterblichkeit in Wien und Österreich ähnlich sind (bitte beachten Sie, dass das Wiener Prognoseband aufgrund der geringeren Bevölkerungsgröße deutlich breiter ist). Seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 kam es fast durchgehend zu ungewöhnlicher Sterblichkeit: Auf die kleine erste COVID-19-Welle folgen nach einer Sommerpause erhöhte Todeszahlen und schließlich die große Herbstwelle 2020. Im Winter 2020/2021 tritt kurz Untersterblichkeit auf, weil die sonst übliche Grippewelle, die auch das Mortalitätsmonitoring erwartet, in ganz Europa ausfällt. Danach ist die Sterblichkeit im Frühling (3. Welle) und Sommer durchgehend leicht erhöht; im Herbst 2021 kommt es wieder zu einer deutlichen Übersterblichkeitsperiode, allerdings weniger stark und langandauernd im Vergleich zum Jahr davor. Die Übersterblichkeit betrifft fast ausschließlich die Altersgruppe der über 65-Jährigen.

Übersterblichkeit lag 2021 zum zweiten Jahr in Folge über 9 %

Die „Bilanz“ des Vergleichs der erwarteten und tatsächlichen Sterblichkeit seit Pandemiebeginn (KW 1-2020) nach Bundesländern zeigt, dass die regionalen Unterschiede in Österreich gering sind: Außer dem Burgenland weisen alle Bundesländer eine Übersterblichkeit auf die in etwa im Österreich-Schnitt von 9 % liegt. In Österreich verstarben etwa 15.000 Personen mehr als erwartet, in Wien waren es 3.000 Personen mehr (+9 %).

Österreich und Wien verzeichnen nun im zweiten Jahr in Folge eine auch im mehrjährigen Vergleich ungewöhnlich hohe Jahresübersterblichkeit von rund 9 bzw. 10 %. Warum die Übersterblichkeit 2021 trotz Corona-Impfung so hoch wie 2020 ausgefallen ist, liegt vermutlich an mehreren Faktoren: Einerseits erlebte Österreich im ersten Jahr der Pandemie, 2020, nur eine größere Welle (im Herbst); 2021 waren es zwei (im Frühling und Herbst). Zusätzlich verzeichnete Österreich ab dem Sommer 2021 anhaltend erhöhte Sterbezahlen, die nicht durch COVID-19 erklärt werden können (mehr dazu unten).

Internationale Vergleiche zeigen zudem, dass der Anteil der Risikobevölkerung, der nicht gegen COVID-19 geimpft ist, in Österreich vergleichsweise hoch liegt. Weiters dürfte die Herbstwelle 2021 deutlich stärker ausgefallen sein als im Jahr 2020, wodurch es selbst bei breitem Impfschutz zu einem erneuten, wenn auch gedämpften, Anstieg von COVID-19-Sterbefällen kommen konnte.

Übersterblichkeit kann immer weniger durch COVID-19 erklärt werden

Der wöchentliche Vergleich der offiziell registrierten COVID-19-Todesfälle mit der von uns berechneten Übersterblichkeit in Österreich zeigt, dass sich beide Werte im Jahr 2020 gut gedeckt haben. Die offiziellen COVID-19-Todesfälle liegen stets etwas unter der errechneten Übersterblichkeit, was ein Indikator für leichte Unterfassung der COVID-19-Toten sein könnte. In der Grippesaison ist ein Vergleich schwierig, weil das Übersterblichkeitsmodell in diesen Wochen – wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten – erhöhte Sterbezahlen erwartet; da 2020/2021 Influenza in Europa nicht oder kaum auftrat und somit die Grippetoten ausblieben, kam es zu statistischer Untersterblichkeit, die sich teilweise mit den COVID-19-Toten dieses Zeitraums überlagert hat. Die Grippesaison wird für diese Analyse von Dezember bis April (Kalenderwoche 51 bis 16) festgelegt, weil in diesem Zeitraum in der Vergangenheit üblicherweise erhöhte grippebedingte Sterblichkeit verzeichnet wurde.

Ab dem Sommer 2021 macht sich ein auffälliger Trend in Österreich bemerkbar, der sich auch in anderen europäischen Ländern beobachten lässt: eine stetige erhöhte Sterblichkeit von rund 10 %, aber keine oder nur sehr wenige COVID-19-Todesfälle. Auch während der Herbstwelle 2021 liegt die Übersterblichkeit deutlich über der Zahl der registrierten COVID-19-Todesfälle.

Außerhalb der Grippewelle konnte 2020 75 % der statistischen Übersterblichkeit durch die registrierten COVID-19-Tote erklärt werden. 2021 liegt dieser Wert in Österreich nur noch bei 45 % (in Wien ist der Unterschied etwas kleiner). Dieser Rückgang der durch COVID-19 erklärbaren Übersterblichkeit ist auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten, darunter Deutschland und die Niederlande. Mit den aktuell vorliegenden Daten und dem Wissen, dass diese nicht erklärbare Übersterblichkeit mit dem Sommer 2021 begann (siehe oben), lassen sich keine gesicherten Aussagen treffen. Folgende – bisher nicht überprüfbare – Hypothesen sind denkbar:

  • „Kollateralschäden“: Die COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 führen ab Sommer 2021 zu erhöhter Sterblichkeit (z. B. Absage von Vorsorgeuntersuchungen, Verschiebung von Behandlungen)
  • Die COVID-19-Toten werden ab Sommer 2021 nicht mehr so umfassend registriert wie früher (z. B. weil geimpfte Verstorbene weniger getestet wurden).
  • Das Modell zur Berechnung der Übersterblichkeit ist ungenau.
  • Andere, bisher unbekannte Gründe einer erhöhten Sterblichkeit

Näheres werden wir erst im Zuge der Auswertung der Todesursachen 2021, also frühestens Mitte 2022, analysieren können.

Rückblick: Todesursachen in Wien im Jahr 2020

Die Auswertung der Wiener Todesursachen 2020, dem ersten Jahr der COVID-19-Pandmie, brachte einige überraschende Ergebnisse. Mithilfe einer Trendfortschreibung der Jahre 2015–2019 haben wir für jede Todesursachengruppe einen erwarteten Wert an Verstorbenen berechnet. Es gibt deutliche Abweichung der erwarteten und tatsächlichen Sterbezahlen; COVID-19 kann aber nicht die gesamte Übersterblichkeit des Jahres 2020, sondern nur rund 75 % erklären. Die 350 Todesfälle, die über dem erwarteten Wert liegen, sind offiziell an anderen Ursachen als COVID-19 verstorben.

Starke Verschiebungen bei den Todesursachen

Starke Zuwächse bei den Sterbefällen gab es insbesondere in den beiden wichtigsten Kategorien „Kreislaufsystem“ (im Volksmund meist „Altersschwäche“) und Neubildungen (Krebs) von über 500 bzw. 200 Toten mehr als erwartet. Die Stoffwechsel- und Urogenitalerkrankungen führten ebenfalls zu mehr Todesfällen als erwartet. Dem stehen aber auch deutliche Rückgänge gegenüber, insbesondere bei den Krankheiten des Atmungssystems (rund -300), was mit der schwachen Grippewelle 2019/2020 zu tun haben könnte, als auch die Krankheiten des Nervensystems und psychische Krankheiten (rund -150 bzw. -200 Tote). Diese doch deutlichen Verschiebungen gegenüber den Vorjahren werfen fast mehr Fragen auf als die momentane Datenlage beantworten kann; deshalb werden wir im Sommer 2022 einen detaillierteren Bericht veröffentlichen, der auch die Todesursachen-Auswertung 2021 einschließt.

Ein Sonderfall sind die Auslandssterbefälle, die 2020 ebenfalls spürbar angestiegen sind. Die Todesursache ist in diesen Fällen nicht bekannt, aber da der Anstieg vor allem auf Todesfälle im Herbst zurückzuführen ist, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um COVID-19-Tote.

Erwartet 2020 2020 Differenz erwartet-tatsächlich
Gesamt 16.435 17.901 1.466
Krankheiten des Kreislaufsystems 5.671 6.197 526
Neubildungen 4.164 4.392 228
Krankheiten des Atmungssystems 1.424 1.132 -292
COVID-19 1.116 1.116
Verletzungen, Vergiftungen und andere äußere Ursachen 832 858 26
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten 718 799 81
Krankheiten des Verdauungssystems 652 687 35
Krankheiten des Nervensystems 654 507 -147
Psychische und Verhaltensstörungen 717 497 -220
Krankheiten des Urogenitalsystems 384 482 98
andere und nicht diagnostizierte Krankheiten 487 436 -51
Totgeburten/während Wochenbett (perinatal) 58 55 -3
Auslandssterbefälle 674 743 69

Schwierige Datenanalyse: COVID-19-Todeszahlen und Gesamtsterblichkeit

  • Die Erfassung der Todesursachen erfolgt im Zuge der Totenbeschau durch Ärztinnen und Ärzte gemäß der ICD-10-Systematik der WHO. Bei den knapp 100.000 Todesfällen seit 2015 in Wien wurden rund 2000 verschiedene Todesursachen angegeben. Es können auch mehrere Ursachen am Totenschein vermerkt werden, wobei dies für uns nicht auswertbar ist. „Externe Todesursachen“ wie Suizid, Mord, Unfälle usw. werden zwar auch erfasst, jedoch ist die Datenqualität hier nicht zufriedenstellend – wir haben deshalb bei dieser Analyse auf die detaillierte Darstellung aller Kategorien verzichtet. Sterbefälle im Ausland berücksichtigen wir nur am Rande, da die Statistik keine Aussagen über deren Todesursache enthält.

    Zur Vereinfachung haben wir Todesursachen mit wenig Sterbefällen (infektiöse/parasitäre Krankheiten, Blut- und Immunkrankheiten, Krankheiten der Ohren, des Auges, der Haut, des Muskel-Skelett-Systems, in Zusammenhang mit Schwangerschaft/Geburt und angeborenen Krankheiten) und die unspezifische Kategorie „abnorme Befunde“ zu einer Kategorie „andere und nicht diagnostizierte Krankheiten“ zusammengefasst. Säuglingssterblichkeit in der Perinatalperiode (7 Tage nach Geburt) und COVID-19 haben wir als eigene Kategorien belassen.

Wer waren die Wiener Verstorbenen 2020?

Neben dem Alter und der Ursache lassen sich aus der Todesstatistik Geschlecht, Herkunft und Sterbeort auswerten. Vor 2020 starben rund 60 % der Wiener Todesfälle im Krankenhaus, 18 % zuhause und 17 % in einem Altersheim. 81 % der 2020 in Wien Verstorbenen waren in Österreich geboren.

Die Auswertung für 2020 haben wir nach Todesursache COVID-19 und anderen aufgetrennt, um die Besonderheiten des ersten Pandemiejahres hervorzuheben. Bei den nicht-COVID-19-Todesursachen 2020 liegen die meisten Indikatoren im Bereich der Durchschnittswerte aus den Jahren 2015 bis 2019, wobei es Unterschiede beim Sterbeort gibt: Im Jahr 2020 ist ein geringerer Anteil der Personen mit anderen Todesursachen als COVID-19 im Krankenhaus verstorben – und ein geringerer Anteil zuhause oder im Heim, die mit einer vorsichtigen Aufnahmeregelung der Krankenhäuser zu tun haben könnte.

Bei den COVID-19-Verstorbenen ergibt sich ein ganz anderes Bild: Der Anteil an Männern ist um 5 Prozentpunkte höher als im Durchschnitt 2015-2019, jener der im Ausland Geborenen sogar um 8 Prozentpunkte. Fast alle COVID-19-Todesfälle verstarben im Krankenhaus (84 %) oder im Heim (15 %).

Überblick zu Wiener Sterbefällen*

2015–2019 2020 – nicht COVID 2020 – COVID
Durchschnittsalter 77,2 77,4 81,6
Medianalter 80 80 83
% männlich 46 48 51
% in Österreich geboren 81 79 73
% zuhause verstorben 18 20 1
% im Krankenhaus verstorben 60 56 84
% im Heim verstorben 17 20 15

* ohne Auslandssterbefälle

Die Altersverteilung der nicht-COVID-19-Verstorbenen 2020 deckt sich gut mit den Durchschnittswerten der fünf Jahre davor; lediglich in der Gruppe der über 80-Jährigen gibt es einen deutlichen Anstieg der Sterbefälle. 92 % der Wiener COVID-19-Toten waren 65 Jahre und älter; der größte Teil von ihnen über 80 Jahre. Nur 4 Wiener COVID-19-Todesopfer waren jünger als 40 Jahre, in der Altersgruppe unter 15 Jahre gab es keinen Sterbefall.

0 Jahre 1-14 Jahre 15-39 Jahre 40-64 Jahre 65-79 Jahre 80+ Jahre
Mittelwert 2015–2019 86 28 302 2.427 5.414 8.147
2020 – nicht COVID 90 30 297 2.475 5.439 8.454
2020 – COVID 0 0 4 88 329 695
% 2020 – nicht COVID 0,5% 0,2% 1,8% 14,7% 32,4% 50,4%
% 2020 – COVID 0,0% 0,0% 0,4% 7,9% 29,5% 62,3%

COVID-19 war in Hinblick auf das Sterbegeschehen im Jahr 2020 ein Extremereignis und hatte auch 2021 spürbare Auswirkungen. Wie bei anderen historischen Zäsuren – Kriege, Naturkatastrophen oder schweren Wirtschaftskrisen – ist jedoch zu erwarten, dass das Sterbegeschehen wieder auf den langfristigen Trend einschwenkt, nachdem das Extremereignis vorbei ist.

Europäische Perspektive: Wien im Schnitt, deutliche Ost-West-Gegensätze

Die Länder und Regionen Europas wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich hart von Ausbrüchen des Coronavirus getroffen. Die europäischen Staaten haben verschieden darauf reagiert. Um Wien mit anderen Großstädten vergleichen zu können, haben wir aktuelle Sterblichkeitsdaten von Eurostat und nationalen statistischen Instituten ausgewertet und dargestellt.

Bei der gesamten Übersterblichkeit seit Jänner 2020 (kumuliert) zeigen sich in Europa wieder deutliche Gegensätze zwischen Osten und Westen und Norden und Süden. Die geringste Pandemie-Übersterblichkeit verzeichneten nordeuropäische Staaten und Städte, inklusive Deutschland. In Osteuropa lag die Übersterblichkeit bis jetzt deutlich über jener in Westeuropa; und einige südeuropäische Städte – Madrid, Barcelona, Mailand, Bergamo – wurden besonders hart getroffen. Eine interessante Ausnahme ist Rom mit einer der geringsten Übersterblichkeitsraten in europäischen Millionenstädten. Wien und Österreich liegen mit rund 10 % im westeuropäischen Mittelfeld.

Mehr dazu finden Sie im Mortalitätsmonitoring europäische Länder und Städte.

 

Ausblick auf weitere Analysen der Landesstatistik Wien 2022

  • Mortalitätsmonitoring: bis auf Weiteres wöchentliche Aktualisierung
  • Sterblichkeit in europäischen Städten: unregelmäßige Aktualisierung
  • endgültige Daten zur Bevölkerungsentwicklung 2021, inkl. Wanderungen, Geburten, Sterbefälle und Babyvornamen (zu späterem Zeitpunkt): Sommer
  • Bericht zu den Todesursachen 2020 und 2021: Herbst
  • kleinräumige Bevölkerungsprognose 2022: Winter

 

Daten

Rohdaten dieses Beitrags (ohne wöchentliches Mortalitätsmonitoring und europäische Sterblichkeit)

(Wöchentliches) Mortalitätsmonitoring Wien und Österreich (Open Government Data)

Rohdaten zur Sterblichkeit in Europa bei Eurostat

Rohdaten zur Sterblichkeit in Deutschland bei Destatis

 

Weiterführende Informationen

Mortalitätsmonitoring in Österreichs Bundesländern seit 2020

Mortalitätsmonitoring in europäischen Ländern und Städten seit 2020

Wiener Mortalitätsmonitoring 2007 bis 2020

Entwicklung der Geburten als Folge der COVID-19-Maßnahmen

Alle Bevölkerungsdaten der Wiener Landesstatistik

Auf dem Weg zurück zur Zwei-Millionen-Stadt – die Entwicklung der Wiener Bevölkerung:
Teil 1: Eine Metropole entsteht (1850–1910)
Teil 2: Das Comeback einer demographisch gealterten Stadt (1910–2018)
Teil 3: Ein Blick in die Zukunft der Wiener Bevölkerung (2018–2048)

Wien wächst gemächlich: vorläufige Daten der Bevölkerungsentwicklung 2019

Wien wächst moderat weiter: Bevölkerungsentwicklung 2020 (vorläufige Daten)

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