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Von der Wiege bis zur Bahre (Teil 1): Babyboom, Platzbedarf und Tröpferlbäder

Statistisches Jahrbuch der Stadt WienEin Beitrag anlässlich der Präsentation des Statistischen Jahrbuchs der Stadt Wien 2017

von Thomas Harbich und Klemens Himpele

Vor Kurzem haben wir das Statistische Jahrbuch der Stadt Wien 2017 vorgestellt, eine Publikation die von der Stadt seit 1883 veröffentlicht wird. Erstaunt hat uns vor allem das große öffentliche Interesse, das der 2017er-Ausgabe – immerhin die 110. Ausgabe dieser geschichtsträchtigen Reihe – entgegengebracht wurde.

Wir – das sind in diesem Fall der WienFakt-Blogger Thomas Harbich und der Wiener Landesstatistiker Klemens Himpele – widmeten die diesjährige Präsentation dem Thema Infrastruktur. Die ganz gut in die Tradition des „Roten Wien“ passende Redensart „von der Wiege bis zur Bahre“ diente uns dabei – nicht ganz ohne Augenzwinkern – als roter Faden.

Zahlen und Geschichten

Entscheidend bei der Betrachtung von Zahlen und Tabellen, wie wir sie im Jahrbuch finden, ist die Kontextualisierung. Liest man Statistiken „statisch“ ist das nicht nur langweilig, sondern auch wenig erkenntnisreich. Wenn wir Ihnen – um ein Beispiel zu nennen – erzählen, dass es derzeit 6.841 Spitalsärzte und -ärztInnen in Wien gibt, können Sie sich vermutlich nichts darunter vorstellen. Ist das viel oder wenig? Was sagt mir das eigentlich?

Der Vergleich mit 1989 zeigt aber unter anderem, dass es heute doppelt so viele Spitalsärzte gibt wie damals. Und jetzt beginnt es interessant zu werden: Warum ist das so? Was könnten die Hintergründe sein und wie kann man das (überhaupt) bewerten? Usw…

Babyboom

Die beiden Neugeborenen Sophia und Alexander und ihr fiktives Leben in Wien bilden den Ausgangspunkt. Warum Sophia und Alexander? Sie erinnern sich vermutlich, das waren (vorläufig) die häufigsten Babyvornamen in Wien 2017 – nach Aussprache gezählt.

Frage 1

  • Wie heißen die beiden häufigsten Kindernamen in Wien nach exakter Schreibweise?
    – Lösung –
    (Fahren Sie mit der Maus (PC) auf den Schriftzug um die richtige Antwort zu erfahren. Smartphoneuser finden die Lösung ganz unten auf dieser Seite.)

Mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit wurden die beiden in einem der Wiener Krankenhäuser geboren, das restliche 1 Prozent kommt als Hausgeburt zur Welt. Fünf weitere Babys haben sich 2016 allerdings einen eigenen Platz in der Statistik gesichert: Sie wurden nämlich auf dem Weg ins Krankenhaus geboren, wie die Daten der Statistik Austria (für 2016) zeigen. Der männliche Geburtenüberschuss gleicht sich übrigens schnell aus: „Wir“ Männer verspielen unseren Vorsprung relativ rasch, in den älteren Kohorten sind die Frauen in der Mehrheit.

Geburten und Sterbefälle in Wien 1950-2017
Geburten und Sterbefälle in Wien 1950-2017

Bei den Geburten gab es 2016 einen Rekord – die Babyboomer und ihr stärkster Jahrgang 1967 konnten mit 20.804 Neugeborenen überholt werden. Aber warum ist das so? Das hängt nicht etwa mit einer gestiegenen Fertilität zusammen – die seit Jahren konstant bei ca. 1,4 Kindern pro Frau liegt – sondern liegt an der steigenden Zahl der potentiellen (und in der Folge tatsächlichen) Mütter in der Stadt, die aufgrund des Bevölkerungszuwachses seit den 2000er-Jahren in Wien leben.

Frage 2

  • In welchem Monat kommen in Wien die meisten, in welchem die wenigsten Kinder zur Welt?
    – Lösung –

Kinderbücher und Betreuungsmeister

Sophia und Alexander werden jedenfalls älter, ihre Eltern wollen wieder arbeiten gehen. In Wien werden – Achtung, wieder eine statische Statistik – derzeit 96.037 Kinder in institutioneller Kinderbetreuung (inkl. Horte) beaufsichtigt.

Zum Vergleich: 1993/1994 waren es gerade einmal 58.284. Besonders beeindruckt dabei die Tatsache, dass in Wien 92 Prozent der Kinder Betreuungseinrichtungen besuchen, deren Öffnungszeiten mit einer Vollzeitbeschäftigung ihrer Eltern vereinbar sind. Im Bundesländerranking liegt die Hauptstadt damit klar auf Platz 1 – gefolgt von der Steiermark, wo der Prozentsatz etwa bei der Hälfte des Wiener Wertes liegt.

Mit Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbare elementare Bildung und Betreuung 2016/2017
Mit Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbare elementare Bildung und Betreuung 2016/2017

Wenn ab einem gewissen Alter Bücher interessant werden, sind Alexander und Sophia in Wien ebenfalls gut versorgt: Die städtischen Büchereien verfügen über einen Medienbestand von ca. 1,5 Millionen Werken.

Frage 3

  • Welcher Autor/welche Autorin schrieb das am häufigsten ausgeliehene Buch in den Wiener Büchereien?
    Christine Nöstlinger / Jeff Kinney / Daniel Glattauer / Ferdinand von Schirach

    – Lösung –

Die Antwort auf die dritte Frage war auch für uns, vor allem in dieser Deutlichkeit, überraschend (der Autor belegt die ersten 11 Plätze) – dass es sich beim „Top-Seller“ um eine Kinderbuchserie handelt aber auch wieder nicht.

Platzbedarf für Hunde und Kinder

Sollten Sophia und Alexander ein Haustier bekommen, ist es am wahrscheinlichsten ein Hund. In Wien gab es im vergangenen Jahr 55.705 „beste Freunde des Menschen“, die bei der MA 6 (Hundesteuer) registriert waren. 2017 kamen somit auf einen Hund 34 WienerInnen – der Anteil ist seit 2015 (siehe Bild unten) etwas gefallen, da die menschliche Bevölkerung stärker als die canine gewachsen ist.

Auf 34 WienerInnen kommt ein Hund - statistisch gesehen
Auf 34 WienerInnen kommt ein Hund – statistisch gesehen

Im Open Government Data-Portal (OGD), in dem die Stadt Wien maschinenlesbare Daten transparent veröffentlicht, erfährt man sogar, welche Rassen in welchen Bezirken am häufigsten anzutreffen sind. Nähere Infos zu OGD, das wir Ihnen als Datennerds ans Herz legen wollen, finden Sie auf open.wien.at.

Besonders kurios wird es, wenn man sich wieder auf Vergleiche einlässt: Während die Auslaufflächen in Wien pro Hund ca. 21 m2 ausmachen, stehen jedem Kind (bis 15 Jahre) in Wien weniger als ein Zehntel dieses Werts (2,5 m2) an Spielplatzfläche zur Verfügung.
Wem jetzt Stereotype über die angebliche Kinderfeindlichkeit der StädterInnen und die besonders hohe Hundefreundlichkeit der WienerInnen in den Kopf schießen: Es ist vermutlich komplizierter. Spielplätze leben nicht (nur) von ihrer Größe, sondern auch von den Spielgeräten – die die Stadt für Hunde üblicherweise nicht bereitstellt. Auch lassen sich Hundezonen einfacher errichten, da sie (im Wesentlichen) aus grüner Wiese, „Gackerlsackerlspender“ und im Idealfall einigen Sitzbänken und Hundetränken bestehen. Zusätzlich gibt es für Kinder auch noch Kindergärten, Schulen, Bibliotheken und andere Orte im öffentlichen Raum, die speziell für sie bestimmt sind. Kurzum: Der Aufwand, den die Stadt für Kinder betreibt, ist natürlich ein wesentlich höherer als für Hunde.

Warum es (fast) keine „Tröpferlbäder“ mehr gibt

In diese Kategorie fallen auch die Bäder, die in Wien spätestens seit den 1920er-Jahren einen besonderen Stellenwert einnehmen. Das erste sogenannte „Kinderfreibad“ wurde während des 1. Weltkriegs eröffnet und befand sich in Hütteldorf in einem Staubecken des Wienflusses. Mittlerweile heißen diese Einrichtungen „Familienbäder“, von denen es zehn gibt. Die BesucherInnenzahlen litten in den 1990ern an einem Tief, seit einigen Jahren erholen sie sich – vor allem in Folge eines Erneuerungsprogrammes – allerdings wieder.

BadbesucherInnen in Wien
BadbesucherInnen in Wien

Am auffälligsten ist jedoch die rote Linie in der Grafik. Es handelt sich um die „Tröpferlbäder“ (Brause- und Wannenbäder), die Ende des 19. Jahrhunderts „erfunden“ wurden und eine sozialpolitische Innovation darstellten. Die Zahl der Badenden ging von Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute von über sechs Millionen auf nur mehr rund 30.000 zurück.

Menschen ohne eigene Waschmöglichkeit zuhause konnten dort ihre Körperpflege erledigen. Mit dem zunehmenden Wohlstand wurden diese Bäder obsolet. Beeindruckend ist dennoch, dass es 1980 noch knapp eine Million BesucherInnen gab. Das letzte reine Brausebad der Stadt befindet sich in Ottakring. Die Herkunft der Bezeichnung „Tröpferlbad“ ist übrigens genauso interessant wie wienerisch: Bei starkem Andrang waren die Wasserspeicher – die sich zumeist im Dachgeschoß befanden – so belastet, dass nur „Tröpferl“ aus den Brausen kamen.

Harbich und Himpele bei der Präsentation des Statistischen Jahrbuchs der Stadt Wien 2017 am 16.1.2018 in der Universität Wien
Harbich und Himpele bei der Präsentation des Statistischen Jahrbuchs der Stadt Wien 2017 am 16.1.2018 in der Universität Wien

Im zweiten Teil dieses Artikels erfahren Sie warum sich Sophia und Alexander vor allem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen, wo/wie sie wohnen und über ihren letzten Weg nach Simmering.
 

Weiterführende Informationen

Die „Wiener Zeitung“ über die Präsentation des „Statistischen Jahrbuchs 2017“
„Die Presse“ über Thomas Harbich und die Präsentation des „Statistischen Jahrbuchs“ 2017
Die Austria Presse Agentur auf kleinezeitung.at über das neue „Statistische Jahrbuch“ 2017
wien.orf.at über die Präsentation des „Statistischen Jahrbuchs“ 2017

Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2017
Statistische Publikationen der Stadt Wien
Wien in Zahlen

Zu den Autoren

  • Thomas Harbich studiert Geschichte und Geographie und postet seit 2014 als @Tom_Harb auf Twitter täglich einen „#WienFakt“ – kurze, spannende Geschichten, Zahlen und Daten über die österreichische Hauptstadt. Gesammelt gibt es die inzwischen rund 1.200 Fakten unter: thomasharb.wordpress.com.
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  • Klemens Himpele ist Leiter der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien.

Lösungen:
 
Frage 1: Emma und Maximilian
 
Frage 2: August (+) und Februar (-)
 
Frage 3: Jeff Kinney

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