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Teilzeit – mehr Lebensqualität oder Armutsfalle?

von Peter Wieser

Teilzeit boomt: Seit 2004 hat es einen rasanten Anstieg in Wien gegeben: Rund 44 % der Wienerinnen und 20 % der Wiener arbeiteten 2017 in Teilzeit, also weniger als 36 Stunden pro Woche. Das entspricht einem Anstieg von jeweils etwa 10 Prozentpunkten. Was sind die Ursachen für den Teilzeit-Boom? Ist diese Entwicklung eher positiv oder negativ einzuschätzen? Die neue Studie „Teilzeit in Wien“ des Instituts für Höhere Studien (IHS) ist diesen Fragen nachgegangen. Die Bilanz fällt zwiespältig aus.

Arbeitnehmervertretungen haben sich mit dem Thema lange Zeit schwer getan: Teilzeit war (und ist?) kein „Normarbeitsverhältnis“ und in vielen Fällen nicht dazu geeignet, um vom erzielten Einkommen gut leben zu können. Oft wird daher von der „Teilzeitfalle“ gesprochen, also dem Umstand, dass eine Reduktion der Arbeitszeit nicht wieder umkehrbar ist. Auf der anderen Seite kann eine Reduktion der Arbeitszeit – wenn freiwillig gewählt – auch Freiräume schaffen, für Ausbildung, Kinderbetreuung etc.


Grafik: Teilzeitbechäftigung in Wien seit 1974

Arbeitszeitverteilung: Es gibt genügend Arbeit

Die Analyse des Arbeitszeitvolumens seit 2004 zeigt: Die Summe aller in Wien erbrachten Arbeitsstunden ist in etwa gleich geblieben, jedoch gehen deutlich mehr Personen einer Beschäftigung nach. Daraus folgt, dass sich die geleistete Arbeitszeit pro Person im Schnitt verringert hat – also eine Arbeitszeitreduktion durch die Hintertüre und ohne Lohnausgleich stattfand. Diese Entwicklung hat sich erst 2018 wieder umgekehrt – der Aufschwung hat vor allem Vollzeitstellen und eine Ausweitung des gesamten Arbeitsvolumens mit sich gebracht.

Auffallend ist, dass das Volumen der gewünschten Mehrstunden von Beschäftigten geringer ist als das Volumen der gewünschten Minusstunden. Es gibt also vereinfacht gesagt genügend Arbeit, die Verteilung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit stimmt aber nicht mit der individuell gewünschten Arbeitszeit überein.


Grafik: Gewünschte und tatsächliche Arbeitszeit in Wien seit 2004

Teilzeit als Eintrittspforte ins Erwerbsleben?

Eine durchaus plausible Annahme im Zusammenhang mit Teilzeit ist, dass sie dazu führen könnte, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen. Aufgrund von Betreuungspflichten, die weiterhin überwiegend von Frauen erbracht werden, kann eine Vollzeitbeschäftigung eine hohe Eintrittshürde ins Erwerbsleben sein. Tatsächlich zeigt sich aber, dass der große Anstieg der Frauenbeschäftigungsquote 1985-1995 stattfand, also vor dem Boom der Teilzeitbeschäftigung. Auch die Teilzeitquote der Männer ist in den letzten Jahren angestiegen, obwohl die Beschäftigungsquote auf einem historischen Tiefststand liegt.

Motive für Teilzeit bei Männern und Frauen unterschiedlich

Die angegebenen Gründe für die Wahl einer Teilzeitarbeit unterscheiden sich stark nach Geschlecht: 32 % der Frauen geben an, aufgrund von Betreuungspflichten Teilzeit zu arbeiten, bei den Männern sind es nur 5 %. Letztere nennen dagegen „Ausbildung“ als häufigsten (31 %) Grund. Rund 15 % der Frauen mit Betreuungspflichten würden Vollzeit arbeiten, wenn eine geeignete Kinderbetreuung vorhanden wäre. Dies zeigt ganz klar die zentrale Bedeutung von Kinderbetreuungseinrichtungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben.

Unfreiwillige Teilzeit

17 % aller Teilzeitbeschäftigten in Wien, das sind 48.000 Personen, arbeiteten 2017 Teilzeit, weil sie keine Vollzeitstelle finden konnten. Bei den Frauen beträgt dieser Wert 14 %, bei den Männern 23 %; allerdings ist die absolute Zahl bei den Frauen viel höher, da insgesamt mehr Frauen in Teilzeit arbeiten. Nach Branchen differenziert ist die „Unterbeschäftigung“ am stärksten im Bereich „sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“ anzutreffen, u. a. Arbeitskräfteüberlassungen und Sicherheitsdienste. Danach folgen der Handel und die Beherbergung und Gastronomie.

Teilzeit zwischen Prekarisierung und guter Absicherung

Die Autorinnen und Autoren der Studie teilten die Teilzeitbeschäftigten in vier relativ homogene Gruppen ein:

  1. unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte mit prekärer Lebenssituation
    Ca. 15 % aller Teilzeitbeschäftigten. Typische Merkmale: Betreuungspflichten bzw. alleinerziehend, Teilzeit von 12-25 Stunden, Niedriglohnsektor und hoher Anteil von Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft.
  2. lange Teilzeit mit guter Absicherung
    Ca. 35 % aller Teilzeitbeschäftigten. Typische Merkmale: Zwei Erwerbstätige im Haushalt, Teilzeit von 26-35 Stunden und Betreuungspflichten.
  3. klassische ZuverdienerInnen
    Ca. 38 % aller Teilzeitbeschäftigten. Typische Merkmale: PartnerIn arbeitet in Vollzeit, Teilzeit 12-25 Stunden, Betreuungspflichten und höchster Frauenanteil.
  4. kurze Teilzeit, häufig in Ausbildung oder Pension
    Ca. 12 % aller Teilzeitbeschäftigten. Typische Merkmale: Höchster Männeranteil, Teilzeit von unter 12 Stunden und keine Betreuungspflichten.

Es zeigt sich, dass Teilzeit nicht gleich Teilzeit ist: Bei der Gruppe „Lange Teilzeit mit guter Absicherung“ bzw. bei der Teilzeit an den „Rändern“ des Erwerbslebens (Ausbildung bzw. Pension) besteht aus sozialpolitischer Perspektive wenig Handlungsbedarf. Hingegen ist die Gruppe mit prekärer Lebenssituation armutsgefährdet. Das ZuverdienerInnenmodell mag auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen, bedeutet aber in der Realität eine Abhängigkeit vom Partner – in den meisten Fällen eben männlich – und sofern es langfristig besteht auch eine äußerst geringe Altersvorsorge (Stichwort Altersarmut).


Grafik: Armutsgefährdung und Teilzeit in Wien 2018

Handlungsbedarf?

Teilzeit als Beschäftigungsmodell hat im langfristigen Vergleich zunehmend an Bedeutung gewonnen. Je nach Lebensphase sowie Höhe des Einkommens kann sie eine freiwillig gewählte Form der Beschäftigung sein, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie oder auch Ausbildung ermöglicht. In den Fällen der unfreiwilligen Teilzeit ist die Situation aber eine grundlegend andere: Diese „Unterbeschäftigung“ berechtigt in Österreich nicht zu Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. In Ländern wie Finnland und Schweden hingegen existiert die Möglichkeit ein „Teilzeitarbeitslosengeld“ zu beziehen, um individuelle Armut zu vermeiden und den Zugang zu aktiven Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik zu ermöglichen. Dies kann man allerdings auch als Subventionierung von Teilzeitarbeit kritisch sehen.

Teilzeitarbeit trägt sowohl zu einer erhöhten Lebensqualität bei und verteilt die Arbeit um, wirkt aber in manchen Fällen armutsgefährdend – vor allem wenn sie langfristig ausgeübt wird. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist daher bei der Entwicklung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen unbedingt notwendig – ebenso eine Diskussion, ob nicht eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich die fairere Lösung wäre.

 

Weiterführende Informationen

Konferenz „Teilzeitarbeit in Wien“ – Rückblick
Studie „Teilzeitarbeit in Wien“

Zum Autor

  • Peter Wieser ist stellvertretender Leiter der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien. Er leitet dort außerdem das Dezernat Wirtschaft.

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