von Maximilian Mayerhofer
Die Wienerinnen und Wiener sind dank öffentlichem Vermögen wohlhabender als gedacht, wie die Ergebnisse einer neuen Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Stadt Wien zeigen. Zum öffentlichen Vermögen zählt in der Studie der soziale Wohnbau, bestehend aus Genossenschafts- und Gemeindewohnungen, von denen ein großer Teil der Bevölkerung profitiert. Für eine ganzheitliche Sicht ist deshalb nicht nur ein Blick auf das individuelle Privatvermögen, sondern auch auf das öffentliche Vermögen notwendig. Denn vor allem Wien weist ein hohes Maß an öffentlichem Vermögen auf, das die Lebensqualität der Bewohner deutlich steigert.
Privatvermögen in Wien
Ein weltweit zu beobachtendes Phänomen ist, dass das Privatvermögen innerhalb der Bevölkerung sehr ungleich verteilt ist, und zwar deutlich ungleicher als das Einkommen. Einige Wenige besitzen sehr viel, während die Mehrheit der Menschen über kein nennenswertes Vermögen verfügt. Seit dem Wiener Reichtumsbericht aus dem Jahr 2012 ist bekannt, dass das durchschnittliche Privatvermögen von Wiener Haushalten geringer und ungleicher verteilt ist als jenes von Haushalten aus dem übrigen Österreich. Dies wird auch durch die neue Studie der WU Wien bestätigt.
Besonders anschaulich kann die Verteilung des Privatvermögens in Wien durch die Aufteilung der Fläche innerhalb eines Rechtecks dargestellt werden („tree map“). Die Haushalte werden dabei nach der Höhe ihres Nettovermögens (dem Vermögen abzüglich der Schulden) in zehn gleich große Gruppen eingeteilt und der Anteil der jeweiligen Gruppe am Gesamtvermögen abgebildet. Dabei zeigt sich, dass die untersten 50 % der Haushalte zusammen mit rund 2 % kaum ein nennenswertes Privatvermögen besitzen, während die reichsten 10 % mit rund zwei Drittel den Großteil am Gesamtvermögen halten. Wird die Betrachtung auf die reichsten 30 % der Haushalte ausgeweitet, so hält diese Gruppe rund 92 % und damit nahezu das gesamte Privatvermögen.
Privatvermögen in Österreich
Wie sieht der Vergleich zu Österreich aus? Während die reichsten 10 % der Haushalte in Wien rund zwei Drittel des Nettovermögens besitzen, verfügen die Top 10 % in Österreich (ohne Wien) über knapp die Hälfte des Nettovermögens. Eine weitere häufig verwendete Maßzahl zur Beurteilung der Vermögensverteilung ist der Gini-Koeffizient, der einen Wert zwischen 0 (alle Haushalte besitzen gleich viel Vermögen) und 1 (ein Haushalt besitzt das gesamte Vermögen) annimmt. Der Gini-Koeffizient des privaten Nettovermögens liegt für Wien bei 0,81 und für Österreich (ohne Wien) bei 0,70, was ebenfalls auf eine ungleichere Verteilung des Privatvermögens in Wien schließen lässt.
Zu einem detaillierteren Einblick gelangt man, wenn das Privatvermögen in Realvermögen (z.B. das eigene Auto oder Immobilien) und Finanzvermögen (z.B. das Girokonto oder Aktien) unterteilt wird. Dabei zeigt sich, dass die ungleiche Vermögensverteilung in Wien im Vergleich zu Österreich stark von der hohen Konzentration des Realvermögens getrieben wird.
Wien | Österreich (ohne Wien) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Top 30 % | Top 10 % | Gini | Top 30 % | Top 10 % | Gini | |
Realvermögen | 98 % | 72 % | 0,85 | 82 % | 55 % | 0,71 |
Finanzvermögen | 85 % | 62 % | 0,73 | 80 % | 52 % | 0,67 |
Bruttovermögen | 91 % | 66 % | 0,79 | 80 % | 52 % | 0,68 |
Nettovermögen | 92 % | 67 % | 0,81 | 81 % | 54 % | 0,70 |
Tabelle: (Privat-)Vermögensverteilung in Wien und Österreich
Für das geringere private Haushaltsvermögen sowie die ungleichere Verteilung in Wien sind vor allem zwei Umstände maßgeblich. Einerseits weist die Bundeshauptstadt eine kleinteiligere Haushaltsstruktur auf als die übrigen Bundesländer. So hat Wien einen deutlich höheren Anteil an Einpersonenhaushalten, wodurch auch das Privatvermögen je Haushalt geringer ausfällt. Ein weiterer Grund liegt im Realvermögen, insbesondere dem Besitz am Eigenheim. In Österreich (ohne Wien) ist die Eigentumsquote, also der Anteil jener Haushalte, die im Eigentum wohnen, deutlich höher als in Wien. Durch ein vergleichsweise hohes Angebot an sozialem Wohnbau wohnen viele Wienerinnen und Wiener in Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen statt im Eigentum. Diese Faktoren beeinflussen das Privatvermögen in Wien im Vergleich zum übrigen Österreich.
Öffentliches Vermögen als Ersatz für Privatvermögen
Ein geringeres Privatvermögen bedeutet jedoch nicht, dass die Wiener Haushalte „ärmer“ sind. Denn das Privatvermögen bildet nur eine Seite der Medaille ab. Auf der anderen Seite befinden sich gut ausgebaute öffentliche Leistungen wie der öffentliche Personennahverkehr, kostenlose Kinderbetreuung oder günstiger sozialer Wohnraum, die als öffentliches Vermögen die Lebensqualität der Wienerinnen und Wiener steigern. Die Existenz eines solchen öffentlichen Vermögens macht das individuelle Ansparen von Privatvermögen weniger erforderlich. Wer beispielsweise die Möglichkeit hat in einer Gemeindewohnung zu wohnen, benötigt kein privates Vermögen zur Finanzierung einer Eigentumswohnung; wer auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz zugreifen kann, muss sich keinen eigenen Pkw anschaffen. Für eine gesamtheitliche Betrachtung von Vermögen sollte daher auch das öffentliche Vermögen berücksichtigt werden.
Öffentliches Vermögen reduziert Ungleichheit
Eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität Wien berechnet für Haushalte ein solches öffentliches Vermögen anhand des sozialen Wohnbaus. Für Haushalte, die in Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen leben, entsteht durch die günstige Miete im Vergleich zum privaten Mietmarkt eine Kostenersparnis. Diese Kostenersparnis kann in ein Vermögen des Haushalts umgerechnet und dessen Privatvermögen hinzugerechnet werden. Dadurch erhöht sich das Gesamtvermögen jener Haushalte, die im sozialen Wohnbau leben.
Wird die Vermögensverteilung vor und nach Hinzurechnung des öffentlichen Vermögens aus dem sozialen Wohnbau verglichen, zeigt sich eine deutliche Reduktion der Ungleichheit in Wien. Die Haushalte werden dazu erneut nach der Höhe ihres Nettovermögens in zehn gleich große Gruppen unterteilt (analog zur obigen Grafik) und deren Anteil am Gesamtvermögen dargestellt. Wie bereits ausgeführt halten die reichsten 10 % der Haushalte in Wien zunächst rund zwei Drittel des gesamten Privatvermögens. Wird für die Wiener Haushalte jedoch zusätzlich ein öffentliches Vermögen aus dem sozialen Wohnbau berechnet, sinkt der Anteil der reichsten 10 % auf rund 61 %. Am unteren Ende der Verteilung verläuft die Veränderung in die entgegengesetzte Richtung: besitzen die untersten 50 % der Haushalte vorher in Summe rund 2 % des gesamten Privatvermögens, steigt deren Anteil nach Hinzurechnung des öffentlichen Vermögens auf 5 %. Insgesamt wird die Vermögensverteilung in Wien durch die Berücksichtigung des öffentlichen Vermögens deutlich gleicher als zuvor.
Wie sieht die Veränderung in Österreich aus? Beim Vergleich von Wien mit Restösterreich zeigt sich, dass sich die Ungleichheit in Wien stärker reduziert. Während der Anteil der reichsten 10 % am Gesamtvermögen in Wien um rund 6 Prozentpunkte sinkt, reduziert er sich in Österreich (ohne Wien) um lediglich 1,4 Prozentpunkte. Auch die Ungleichheit gemessen durch den Gini-Koeffizienten sinkt in Wien stärker. Insgesamt trägt das öffentliche Vermögen der Wienerinnen und Wiener zu einer starken Reduktion der Vermögensungleichheit bei.
Wien | Österreich (ohne Wien) | |||
---|---|---|---|---|
Privatvermögen | Öffentliches und privates Vermögen | Privatvermögen | Öffentliches und privates Vermögen | |
Top 10 % | 67 % | 61 % | 54 % | 53 % |
Gini | 0,81 | 0,74 | 0,70 | 0,68 |
Gender-Wealth-Gap | 8 % | 3 % | 4 % | 3 % |
Tabelle: Vermögensverteilung in Wien und Österreich (vorher „privat“ – nachher „inkl. öffentliches Vermögen“)
Frauen profitieren besonders von öffentlichem Vermögen
Wird zwischen den Geschlechtern unterschieden, so haben in Wien im Durchschnitt männliche Einpersonenhaushalte ein um rund 8 % höheres Privatvermögen als weibliche Einpersonenhaushalte. Im restlichen Österreich ist der Gender-Wealth-Gap mit 4 % deutlich niedriger. Wird den Haushalten jedoch das öffentliche Vermögen aus dem sozialen Wohnbau zugerechnet, reduziert sich der Gender-Wealth-Gap in Wien auf 3 % und in Österreich auf 3 %. Weibliche Einpersonenhaushalte profitieren demnach besonders vom öffentlichen Vermögen. Auch hier fällt die Reduktion der ungleichen Verteilung in Wien stärker aus.
Öffentliches Vermögen zahlt sich aus
Privatvermögen ist in Österreich sehr konzentriert. In Wien ist das durchschnittliche private Haushaltsvermögen geringer und ungleicher verteilt als im übrigen Österreich, was jedoch stark mit strukturellen Unterschieden wie der Haushaltsgröße oder der höheren Eigentumsquote außerhalb Wiens zusammenhängt. Das Privatvermögen bildet jedoch nur eine Seite der Medaille ab. Für eine ganzheitliche Betrachtung sollte daher auch das öffentliche Vermögen, wie etwa der soziale Wohnbau, berücksichtigt werden. Vom öffentlichen Vermögen profitieren alle, speziell jedoch jene Menschen, die auf keines oder nur ein sehr eingeschränktes individuelles Privatvermögen zurückgreifen können.
Wien hat durch den hohen Anteil an sozialem Wohnraum ein großes öffentliches Vermögen, das die Ungleichheit im Privatvermögen reduziert. Weitere Leistungen wie beispielsweise die öffentlichen Verkehrsmittel oder die Kinderbetreuung wurden in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt, zählen jedoch ebenso zum öffentlichen Vermögensstock. Neben anderen Maßnahmen, wie der Besteuerung von Vermögen oder Erbschaften, leistet das öffentliche Vermögen einen wichtigen Beitrag, um die private Vermögensungleichheit zu reduzieren und vielen Wienerinnen und Wienern ein gutes Leben zu ermöglichen.
Dieser Blogartikel basiert auf den Ergebnissen der Studie „Vermögen in Wien. Ungleichheit und öffentliches Eigentum“, die von der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Stadt Wien erstellt wurde.
Zum Autor
- Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).
Ein Kommentar
Wenn man noch die regionale Umverteilung der Bundes- und EU-Mittel dazurechnet, wird deutlich, dass die Umverteilung zu den Bundesländern (ohne Wien) eklatant ist und eigentlich nicht mehr gerechtfertigt. Auch der Augenschein auf die Größe und Ausstattung der Eigenheime am Land belegt das.