von Maximilian Mayerhofer
Mit dem abrupten Eintritt der Corona-Krise wird die gute konjunkturelle Entwicklung in Wien unterbrochen und die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt hart getroffen. Rund 175.000 Wienerinnen und Wiener sind im Jahresdurchschnitt 2020 in Arbeitslosigkeit oder AMS-Schulung. Ein Bündel an wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch Wien und den Bund konnte einen noch größeren Anstieg verhindern. Die große Herausforderung wird nun sein, die Arbeitslosigkeit wieder auf das Vorkrisenniveau zu reduzieren.
Wirtschaftsleistung brach stark ein
Die Auswirkungen der bundesweit verordneten Schließungen im Zuge der Corona-Krise zeigen sich deutlich in der Wirtschaftsentwicklung Wiens. Laut den neuesten Schätzungen (Mai 2021) des Wirtschaftsforschungsinstituts bricht das Bruttoregionalprodukt Wiens 2020 um 5,6 % ein – ein Rückgang, der fast fünfmal so stark ist wie jener des ersten Jahres der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009. Die Wirtschaftsentwicklung in Wien kann seitdem grob in zwei Abschnitte unterteilt werden: der Abschnitt von 2009 bis 2015, in dem die Auswirkungen der Finanzkrise zu geringen bzw. rückläufigen Wachstumsraten geführt haben, sowie die Erholung von 2016 bis 2019, als die Konjunktur in Wien wieder kräftig angezogen hat. Mit der Corona-Krise beginnt ein neuer Abschnitt, dessen weitere Entwicklung mit hoher Unsicherheit behaftet ist. Jedenfalls steht fest, dass die Auswirkungen des Krisenjahres 2020 die bisherige wirtschaftliche Erholungsphase unterbrochen und sich stark auf die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in Wien ausgewirkt haben.
Erstmals Beschäftigungsrückgang seit 2009
Die Beschäftigungsentwicklung in Wien war im letzten Jahrzehnt durchwegs positiv, mit einem Zuwachs der unselbstständigen Beschäftigung von rund +93.000 Beschäftigungsverhältnissen zwischen 2008 und 2019. Aufgrund der Corona-Krise ist nun erstmals ein Rückgang der unselbstständigen Beschäftigung seit 2009 zu verzeichnen, der seinen Höhepunkt im April 2020 mit 46.135 beendeten Beschäftigungsverhältnissen (-5,3 %) im Vergleich zum Vorjahresmonat hatte. Wird dieser Rückgang mit dem Monat des stärksten Beschäftigungsverlusts in der Finanzkrise verglichen (April 2009: -2,2 %), zeigt sich für die Corona-Krise ein mehr als doppelt so großer Einbruch der unselbstständigen Beschäftigung.
Die höchsten Beschäftigungsverluste fanden im Jahr 2020 bei Beschäftigten ohne österreichische Staatsbürgerschaft, bei jungen Erwachsenen (unter 25 Jahre) sowie bei Männern statt. Beim höheren Rückgang unter Männern unterscheidet sich Wien von anderen Bundesländern, wo der Rückgang unter Frauen stärker ausfiel. Einer der Gründe liegt darin, dass in Wien der Anteil männlicher Beschäftigter in besonders betroffenen Branchen wie dem Gastgewerbe oder dem Handel höher ausfällt als jener von Frauen. Bei jungen Menschen hingegen ist grundsätzlich eine höhere Krisenanfälligkeit im Vergleich zu den übrigen Altersgruppen zu beobachten. Mitursache dafür sind zum einen, dass in Krisenzeiten die Zahl der offenen Stellen sinkt, und zum anderen auch die Tatsache, dass junge Beschäftigte öfter in atypischen Arbeitsverhältnissen arbeiten, die eine Befristung oder einen geringeren Kündigungsschutz aufweisen, wie beispielsweise die Leiharbeit.
Rund ein Drittel der Wiener Beschäftigten in Kurzarbeit
Noch zu Krisenbeginn wurde rasch mit unterschiedlichen Krisen-Instrumenten reagiert, etwa dem ersten Wiener Wirtschaftspaket oder der Corona-Kurzarbeit. Die Kurzarbeit konnte einen erheblichen Teil der Wienerinnen und Wiener unmittelbar in Beschäftigung halten. Am Höhepunkt der Krise, im April 2020, befanden sich in Wien rund 240.000 Personen in Kurzarbeit, was ca. 30 % der Erwerbstätigen ausmachte. Danach sank die Zahl der Personen in Kurzarbeit sukzessive ab.
Auf das Gesamtjahr 2020 betrachtet fand die meiste Kurzarbeit im Handel statt, der ein Viertel aller Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in Wien ausmachte. Das Gastgewerbe folgt mit 13 % und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleister mit 10 %, deren beschäftigungsstärksten Unterbranchen die Arbeitskräfteüberlassung und die Gebäudereinigung sind. Insgesamt hat sich die Corona-Kurzarbeit als wichtige und erfolgreiche Sofortmaßnahme herausgestellt, die es vielen Wienerinnen und Wienern ermöglichte, trotz der Geschäftsschließungen in Beschäftigung zu bleiben.
Arbeitslosigkeit stieg doppelt so stark wie in Finanzkrise 2009
Während sich die Arbeitslosigkeit (inkl. der Schulungsteilnehmer) in Wien durch die guten Konjunkturjahre 2017 bis 2019 reduzierte, stieg sie mit Krisenbeginn stark an. Im April 2020 wurden insgesamt +56.948 Wienerinnen und Wiener (+41 %) im Vergleich zum Vorjahresmonat arbeitslos, österreichweit lag der Anstieg gar bei +58 %. Damit ist der relative Zuwachs in seiner Dimension rund doppelt so groß wie in der Finanzkrise 2009, in welcher der höchste Ausschlag in Wien bei +20 % (September 2009) lag.
Wien bei Anstieg der Arbeitslosigkeit im unteren Drittel
Im Bundesländervergleich liegt der Arbeitslosigkeits-Anstieg in Wien mit +24 % im untersten Drittel und weist nach Niederösterreich den niedrigsten Zuwachs auf. Die Ausschläge sind vor allem im touristisch geprägten Westen wie Tirol (+69 %) oder Salzburg (+47 %) massiv. Österreichweit liegt der Anstieg bei +28 %.
Knapp 175.000 Arbeitslose
Für das Gesamtjahr 2020 bedeutete diese Entwicklung, dass 173.923 Wienerinnen und Wiener (+33.208 Personen bzw. +24 %) arbeitslos vorgemerkt waren oder an einer Schulung teilgenommen haben, was dem höchsten Wert in der Zweiten Republik entspricht. Auch für Gesamtösterreich stellt diese Entwicklung einen Höhepunkt dar.
Von den +33.208 zusätzlichen Arbeitslosen in Wien entfielen +8.811 auf das Gastgewerbe, +6.025 auf sonstige wirtschaftliche Dienstleister und +3.897 auf den Handel. In Summe machten diese drei Branchen mehr als die Hälfte (56 %) des gesamten Zuwachses aus.
Arbeitslosenquote stieg am stärksten bei Männern, jungen Menschen und AusländerInnen
Sinkende Beschäftigung und steigende Arbeitslosigkeit führten zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote von 12,8 % (2019) auf 16,5 % (2020). Am stärksten hat die Arbeitslosenquote bei Männern, den unter 25-Jährigen und Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft zugenommen. Im Jahr 2020 waren aufgrund der Corona-Krise rund ein Viertel der Erwerbspersonen ohne österreichische Staatsbürgerschaft arbeitslos; unter den Personen mit Pflichtschulabschluss waren es sogar knapp 40 %, unter jenen mit Lehrausbildung 15 %. In den am härtesten getroffenen Branchen des Gastgewerbes und den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistern war 2020 jede dritte Erwerbsperson arbeitslos (nicht abgebildet).
Verfestigung der Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit droht sich nun zunehmend zu verfestigen, was sich in einem merkbaren Anstieg der Langzeitbeschäftigungslosigkeit ausdrückt, also jenen Personen, die seit einem Jahr oder länger auf Arbeitssuche sind. Kurz vor Krisenbeginn im Februar 2020 lag die Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Wien bei 64.785 Personen, während sie bis zum Mai 2021 auf 91.794 Personen angestiegen ist. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil es für diese Gruppe besonders schwer ist zurück in Beschäftigung zu finden. Das hat unterschiedliche Gründe, beispielsweise werden Personen mit langer Arbeitslosigkeitsdauer deutlich seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Sind die Arbeitslosen zusätzlich auch in einem höheren Erwerbsalter, sinkt ihre Chance auf Wiederbeschäftigung weiter. Genau deshalb setzen Beschäftigungsprogramme wie die (von der vorherigen Bundesregierung abgeschaffte) Aktion 20.000 oder die Wiener Joboffensive 50+ speziell bei dieser Zielgruppe an.
Ausblick
Die Corona-Krise hat am Arbeitsmarkt in Wien und Österreich zu einer starken Eruption geführt. Im Vergleich zum ersten Jahr der Finanzkrise brach die Wirtschaftsleistung in Wien fast fünfmal so stark ein, die Ausschläge in Beschäftigung und Arbeitslosigkeit waren rund doppelt so groß. Die Arbeitslosigkeit droht sich nun zunehmend zu verfestigen und die Lage wird sich vor allem auch für jene Gruppen anspannen, die bereits vor der Krise nur sehr geringe Arbeitsmarktchancen hatten.
Ein wichtiger Schritt waren zunächst die kurzfristigen Krisen-Instrumente der Wiener Stadtregierung und des Bundes. Die Corona-Kurzarbeit hat dazu beigetragen, viele Wienerinnen und Wiener in Beschäftigung zu halten. Maßnahmen wie der „Gastro-Gutschein“ oder „Taxigutschein“, die Aufstockung der überbetrieblichen Lehre oder der Joboffensive50+ haben auf die Stützung der Konsumnachfrage und die (Re )Integration in den Arbeitsmarkt gezielt. Auf der anderen Seite war das Ziel städtischer Hilfspakete wie des Notlagenfonds für EPUs, Bürgschaften, Gebührenstopps oder die Unternehmensbeteiligungen in „Stolz auf Wien“, auch den Unternehmen unter die Arme zu greifen. Mittelfristig geht es nun darum, eine Entwicklung ähnlich der Finanzkrise zu verhindern und die Arbeitslosigkeit in einem ersten Schritt wieder auf das Vorkrisenniveau zu reduzieren.
Weiterführende Informationen
Corona-Krise: 194.000 Österreicherinnen und Österreicher verlieren im März 2020 ihren Job
Zum Autor
- Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).