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Tagesbevölkerung – Wo sich Wien untertags füllt und leert

von Ramon Bauer und Alexandra Prinz

Seit September 2023 hat Wien mehr als 2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist bekannt, da Daten über die Bevölkerung in Österreich im Zentralen Melderegister erfasst und von der Statistik Austria regelmäßig veröffentlicht werden. Auf die Frage, wie viele Menschen sich an einem beliebigen Tag in Wien aufhalten, kann die offizielle Statistik dagegen keine Auskunft geben. Allerdings erlauben Daten der Abgestimmten Erwerbsstatistik (AEST) mit Informationen zu Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsorten eine Annäherung an die Fragestellung, wo in Wien untertags die Zahl der anwesenden Bevölkerung steigt oder sinkt.

Wiener Tagesbevölkerung

Im Gegensatz zur Wohnbevölkerung (also die Bevölkerung mit Hauptwohnsitz) ergibt sich die theoretische Tagesbevölkerung eines Gebiets aus der Wohnbevölkerung abzüglich der Auspendlerinnen und Auspendler (deren Arbeitsort bzw. Bildungseinrichtung in einem anderen Gebiet liegen) zuzüglich der Personen, die aufgrund von Erwerbs- oder Bildungszwecken (Schule, Universität) untertags in ein Gebiet einpendeln. Daraus ergibt sich für Wien zum Stichtag 31. Oktober 2021 die theoretische Tagesbevölkerung wie folgt:

Wohnbevölkerung (Hauptwohnsitz) 1.926.960
(minus) Auspendler und Auspendlerinnen -113.953
(plus) Einpendler und Einpendlerinnen +355.275
Tagesbevölkerung Wien (31. 10. 2021) 2.168.282

Auf Basis dieser Definition von Tagesbevölkerung, welche auch von der Statistik Austria unter anderem zur Abgrenzung von urbanen und ländlichen Gebieten genutzt wird (siehe Infobox unten) und anhand letztaktueller AEST-Daten mit Stichtag 31.10.2021 haben wir ausgewertet welche Wiener Bezirke und Zählgebiete mehr oder weniger Tagesbevölkerung als Personen mit Hauptwohnsitzmeldung aufweisen. Zur Darstellung nutzen wir die Differenz der Bevölkerungsdichte (Personen pro km2) aus Wohnbevölkerung und errechneter Tagesbevölkerung in den 1.368 Wiener Zählgebieten.

Die erste Karte macht die Differenz von Wohnbevölkerung und Tagesbevölkerung in den Wiener Zählgebieten deutlich: Gelbtöne zeigen, wo in Wien die Bevölkerungsdichte untertags ansteigt (mehr Einpendler als Auspendler) und Grautöne wo untertags die Bevölkerungsdichte zurückgeht (mehr Auspendler als Einpendler). Die größten Anstiege der Tagesbevölkerungsdichte gegenüber der Wohnbevölkerungsdichte ergeben sich vor allem in der Inneren Stadt (1. Bezirk) und in vielen angrenzenden Zählgebieten innerhalb des Gürtels, wo auch viele größere Arbeits- und Bildungsstätten ihren Standort haben. Dazu zählen z. B. das Allgemeine Krankenhaus (AKH) am Alsergrund (9. Bezirk), die Universität Wien (1. Bezirk) oder auch die Zählgebiete entlang der Mariahilfer Straße (6. und 7. Bezirk). Selbst neu errichtete Grätzel wie z. B. am Nordbahnhof oder das Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof sind nicht nur attraktive Wohngebiete, sondern ziehen auch viele Betriebe und somit Einpendlerinnen und Einpendler an. Das führt dazu, dass auch hier die Tagesbevölkerungsdichte höher ist als jene der Wohnbevölkerung. Umgekehrt ist die Situation in den meisten Zählgebieten außerhalb des Gürtels, wo mehr Menschen aus- als einpendeln. Das betrifft besonders die dicht verbauten Wohngegenden südlich und westlich des Gürtels und „Transdanubien“ (21. und 22. Bezirk).

Definition: Tagesbevölkerung und Pendler und Pendlerinnen

  • Als „Pendler“ gelten in unserer Analyse sowohl die „klassischen“ Pendlerinnern und Pendler (die auf dem Arbeits- oder Schulweg eine Gemeindegrenze überschreiten) als auch die sogenannten Binnenpendler. Deren Wohn- und Arbeits- bzw. Bildungsort liegt zwar in derselben Gemeinde – Wien –, aber nicht im selben Zählgebiet. Die Differenz aus Ein- und Auspendlern gibt an, ob eine Gemeinde bzw. ein Gebiet eine Aus- oder Einpendlergemeinde (oder –gebiet) ist.
     
    Informationen zur Erwerbstätigkeit und Ausbildung bietet die Abgestimmte Erwerbsstatistik (AEST), die jährlich von der Statistik Austria mit Stichtag 31.10. erhoben wird (letztaktuell veröffentlicht für den 31. 10. 2021). Informationen zur Pendelmobilität beruhen auf AEST-Daten zum Wohn- und Arbeits- bzw. Bildungsort und sind nicht direkt mit anderen Daten wie z. B. der bekannten Wiener Kordonerhebung vergleichbar, welche umfassende Ergebnisse über den Verkehr stadteinwärts zu einem Referenzzeitpunkt (letztaktuell im Herbst 2022) bietet.

Bevölkerungsdichten in Wien

Das räumliche Muster der Wohnbevölkerungsdichte in Wien ist allgemein relativ gut bekannt: Hohe Bevölkerungsdichten in den dicht verbauten innerstädtischen Wohnquartieren innerhalb und entlang des Gürtels – mit Ausnahme der Inneren Stadt (1. Bezirk), wo nur relativ wenige Personen wohnen – und vergleichsweise geringe Bevölkerungsdichten in den sogenannten „Flächenbezirken“ am Stadtrand, wo es auch noch einige (nahezu) unbewohnte Zählgebiete gibt. Die geringsten Wohnbevölkerungsdichten mit weniger als 5 Einwohnerinnen und Einwohnern pro km2 befinden sich in Zählgebieten in der Lobau und in Lainz, die höchsten Werte mit Bevölkerungsdichten von mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner pro Quadratkilometer gibt es in Favoriten (10. Bezirk), Döbling (19. Bezirk) und Ottakring (16. Bezirk).

Wir bereits anhand der ersten Karte beschrieben wurde, weicht das räumliche Muster der Tagesbevölkerungsdichte teilweise von jenem der Wohnbevölkerungsdichte ab. Die höchsten Werte an Tagesbevölkerungsdichte mit 100.000 Personen pro km2 und mehr – in vielen Zählgebieten in der Inneren Stadt (1. Bezirk) und einigen Zählgebieten in der Landstraße (3. Bezirk), auf der Wieden (4. Bezirk), am Neubau (7. Bezirk) und in Favoriten (10. Bezirk) – liegen deutlich über den Maximalwerten der Wohnbevölkerungsdichte.

Tagesbevölkerung: Hinweis zur Definition, Methodik, Datengrundlage und Interpretation

  • Wie viele Menschen sich an einem beliebigen Tag in Wien aufhalten, lässt sich anhand des Konzepts der Tagesbevölkerung nicht beantworten. Die Definition der (theoretischen) Tagesbevölkerung bezieht sich ausschließlich auf Daten der in der Erwerbsstatistik erfassten Arbeits- und Ausbildungsorte. Nicht erfasst werden zum Beispiel Tagesbesucherinnen und -besucher, Touristinnen und Touristen, Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern sowie auch die Mobilität von Nichterwerbstätigen (Nicht-Erwerbspersonen, Arbeitslose, Pensionistinnen und Pensionisten, Kindergartenkinder). Studentinnen und Studenten, die auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, werden primär als Erwerbspendler erfasst. Die Nebenwohnsitzbevölkerung wird nicht berücksichtigt.
     
    Auch bei der Interpretation von Pendlerdaten sollte mit Vorsicht vorgegangen werden. Nicht alle Erwerbstätigen pendeln an jedem Werktag zur Arbeitsstätte. Man denke nur an die Ausweitung der Home-Office-Tätigkeiten in den letzten Jahren. Auch Teilzeitarbeit und Schichtdienste oder Erwerbstätigkeiten, die nicht am Arbeitsort ausgeführt werden (z. B. Öffi-, Taxi- oder Botendienstfahrer) werden in den Daten nicht abgebildet. Bei Bildungspendlern können größere Universitäten die Analyse verzerren. So besuchen beispielsweise viele Studentinnen und Studenten, die an der Adresse der Universität Wien inskribiert sind, Uni-Institute, die tatsächlich über das Stadtgebiet verstreut sind – so weist beispielsweise das Zählgebiet 09061, in welchem sich der Campus der Universität Wien (Altes AKH) befindet, keine Bildungspendlerinnen und -pendler auf.

Pendeln zwischen Wiener Bezirken und Zählgebieten

Betrachtet man nur die Zahl bzw. Differenz der Einpendlerinnen und Einpendler und Auspendlerinnen und Auspendler nach Wiener Gemeindebezirken, so zeigt sich, dass die Innere Stadt (1. Bezirk) bei weitem der stärkste Einpendlerbezirk ist. Laut AEST-Daten aus dem Jahr 2021 kommen im 1. Bezirk, wo gerade einmal 16.000 Menschen leben, mehr als 155.000 Einpendlerinnen und Einpendler auf nicht einmal 5.000 Auspendlerinnen und Auspendler. Gemessen am Pendlersaldo (Einpendlerinnen und Einpendler minus Auspendlerinnern und Auspendler) sind auch die Landstraße (3. Bezirk) und die Leopoldstadt (2. Bezirk) mit deutlichem Abstand zur Inneren Stadt die stärksten Wiener Einpendlerbezirke. Auch alle anderen Bezirke innerhalb des Gürtels, mit Ausnahme von Margareten (5. Bezirk) weisen einen positiven bzw. ausgeglichen Pendlersaldo auf. Die Bezirke außerhalb des Gürtels sind mit Ausnahme von Hietzing (13.), Döbling (19. Bezirk) und Liesing (23. Bezirk) dagegen ausschließlich Auspendlerbezirke.

In Wien gab es im Jahr 2021 etwas mehr als 600.000 Erwerbstätige plus mehr als 100.000 Schülerinnen und Schüler und Studentinnen und Studenten, die zwischen den Bezirken pendeln. Zusätzlich gab es noch knapp 100.000 Erwerbstätige und mehr als 130.000 Schüler und Studenten, die innerhalb des Wohnbezirks pendeln. Die Wiener Binnenpendeldynamik und die räumlichen Verflechtungen haben wir anhand der 250 Wiener Zählbezirke quasi auf Grätzelebene dargestellt. Die 250×250-Matrix zeigt, aus welchen Wohngebieten die Wienerinnen und Wiener zu Erwerbs- und Bildungszwecken pendeln.

Für diese letzte Grafik gilt: Je mehr Rot, desto höher der Anteil der Wohnbevölkerung, die im heimatlichen Grätzel arbeitet oder sich bildet. Einige Muster stechen hervor:

  • Viele stark rot gefärbte, größere (Bezirks-)Quadratmuster verdeutlichen die Häufigkeit von Erwerbstätigkeit und Bildung innerhalb eines Bezirks. Insgesamt haben 23 % der Wiener Binnen-Pendelbewegungen Ursprung und Ziel im selben Bezirk, dazu kommen noch 6 % sogenannte „Nichtpendler“, die mit ihrem Wohnsitz als Arbeitsort registriert sind.
  • Einige benachbarte Bezirke bilden zusammen ebenfalls größere rote Quadratmuster, von uns als „Super-Kacheln“ bezeichnet. Die Innenbezirke (1. bis 9. Bezirk), in die 44 % der Wiener Berufstätigen und Schülerinnen und Schüler bzw. Studentinnen und Studenten pendeln, bilden zusammen die am stärksten ausgeprägte Super-Kachel. Andere Nachbarbezirke, wie zum Beispiel der 23. und der 12. bzw. 13. Bezirk erscheinen ebenfalls als Super-Kacheln, da viele Beschäftigte, Schülerinnen und Schüler ihre Pendelwege möglichst kurzhalten und in die jeweiligen Nachbarbezirke pendeln.
  • Besonders beeindruckend ist die rote Grätzel-Diagonale, die sich von links oben nach rechts unten durch die Darstellung zieht: Sie zeigt, dass besonders viele Wienerinnen und Wiener – nämlich 13 % – nicht nur im selben Bezirk, sondern auch im selben Grätzel arbeiten oder in die Schule gehen. (Das schließt auch die erwähnten „Nichtpendler“ ein, deren Arbeitsplatz zuhause registriert ist.)
  • Einige ganz rote vertikale „Linien“ stellen Zählbezirke mit einem oder mehreren großen Arbeitgebern dar, die Einpendlerinnen und Einpendler aus nahezu allen Bezirken und Zählgebieten beschäftigen. In der Grafik haben wir beispielhaft auf die Donau-City (22. Bezirk) hingewiesen, wo die Vereinten Nationen (UNO) ihren Wiener Sitz haben, welche Einpendlerinnen und –pendler aus allen Wiener Bezirken anzieht.

Tagesbevölkerungsdynamik aufgrund von Erwerbs- und Bildungsmobilität

Wie viele Menschen sich an einem beliebigen Tag in Wien aufhalten, kann aus der offiziellen Statistik nicht entnommen werden. Eine Annäherung an die Frage, wo sich die Stadt untertags aufgrund von potenziellen Pendelzielen für Erwerbs- und Bildungszwecke füllt oder leert, ermöglichen die Daten der Abgestimmten Erwerbsstatistik. Die höchsten Tagesbevölkerungsdichten finden sich dementsprechend dort, wo es eine große Zahl an Arbeitsplätzen und Bildungseinrichtungen gibt. In Wien sind die höchsten Tagesbevölkerungsdichten mit über 100.000 Personen pro km2 in einigen Zählgebieten mehr als doppelt so hoch (dicht) wie die höchsten Wohnbevölkerungsdichten.

Die räumliche Verteilung bzw. Konzentration von Arbeitsstätten und Bildungseinrichtungen führt in Wien dazu, dass vor allem die zentral gelegenen Bezirke innerhalb des Gürtels mehr Ein- als Auspendler und -pendlerinnen aufweisen und somit als Einpendlerbezirke gelten, während aus den Flächenbezirken am Stadtrand deutlich mehr Menschen aus- als einpendeln. Der zentrale Ort der Wiener Tagesbevölkerung sind eindeutig die zentral gelegenen Einpendlerbezirke, allen voran die Innere Stadt (1. Bezirk), gefolgt von den angrenzenden Bezirken Wieden (4.), Leopoldstadt (2.) und Landstraße (3.). Die Bezirke außerhalb des Gürtels sind überwiegend Auspendlerbezirke.

Eine besondere Bedeutung als Pendelziele haben große Arbeitgeber (z. B. das Wiener AKH) und Bildungseinrichtungen (z. B. die Universität Wien), zu denen Beschäftigte, Schülerinnen und Schüler aus allen Wiener Bezirken pendeln. Allerdings sollten Pendlerdaten mit Vorsicht interpretiert werden, da nicht alle Berufstätigen an jedem Werktag pendeln bzw. nicht alle Erwerbstätigkeiten in der Arbeitsstätte durchgeführt werden.

Wien ist als Arbeits- und Bildungsort für die Ostregion Österreichs und für die Regionen im angrenzenden Ausland von überragender Bedeutung. Für Verwaltung und Planung sind Informationen über die Dynamik der Pendelmobilität zu Erwerbs- und Bildungszwecken nach/aus und in Wien und die sich daraus ergebenden Tagesbevölkerungsdichten und –konzentrationen wichtige Anhaltspunkte für die Bereitstellung von Infrastruktur und Dienstleistungen, welche die wesentliche Grundlage für die hohe Wiener Lebensqualität bilden.

Weiterführende Informationen

Monatliches Bevölkerungsmonitoring Wien
Alle Bevölkerungsdaten der Wiener Landesstatistik

Auf dem Weg zurück zur Zwei-Millionen-Stadt – die Entwicklung der Wiener Bevölkerung:
Teil 1: Eine Metropole entsteht (1850–1910)
Teil 2: Das Comeback einer demographisch gealterten Stadt (1910–2018)
Teil 3: Ein Blick in die Zukunft der Wiener Bevölkerung (2018–2048)

 

Über die Autoren

  • Ramon Bauer ist Leiter der Landesstatistik Wien in der Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien.
    @metropop_eu
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  • Alexandra Prinz arbeitet in der Landesstatistik Wien (MA 23).

3 Kommentare

  • 28. Juni 2024 von Herbert Arlt

    Sehr beeindruckend.

  • 11. Juli 2024 von Dr. Ernst Haider

    danke für die interessante und vor allem sehr anschauliche Darstellung der binnenbewegungen in Wien.
    warum wäre nicht auch eine Ergänzung aus der Touristik Statistik – Zahl der Nächtigungen ist ja bekannt – bzw Krankenhaus Daten für die tagesbevölkerung möglich?
    Illegale Bevölkerung lassen wir eh ausser Acht….

    • 15. Juli 2024 von wien1x1.at Redaktion

      Sehr geehrter Herr Dr. Haider,

      danke für Ihren Kommentar. Sie haben recht, dass die Zahlen zum Tourismus und den Krankenhäusern amtlich vorliegen; die Aufbereitung für diese Art der Auswertung würde jedoch einen unverhältnismäßigen Aufwand bedingen und datenschutzrechtliche Schwierigkeiten mit sich bringen, weshalb wir darauf verzichtet haben.

      Beste Grüße
      Das Team der Landesstatistik Wien

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