von Klemens Himpele und Iulia-Andreia Leopold
31 Städte weltweit einigten sich am 13. November 2018 in Barcelona beim diesjährigen Sharing Cities Summit auf zehn Grundsätze zur sogenannten Plattformwirtschaft. Damit liegt erstmals ein von wichtigen Metropolen wie New York City, Amsterdam, Barcelona, Mailand, Wien und anderen getragenes Dokument zum Thema Sharing Economy vor. Die Städte betonen damit ihr Recht, Regeln im Interesse des Gemeinwohles festzulegen und durchzusetzen. Die Stadt Wien sieht sich in ihrer Linie, die Share zu einer Fair Economy zu machen, bestätigt und kann auch auf die Unterstützung anderer Städte setzen.
Was ist Sharing Economy?
Im Wortsinn geht es um die „Ökonomie des Teilens“, und diese ist nicht neu! Man denke nur an Genossenschaften oder Maschinenringe zum gemeinsamen Nutzen von Ressourcen, an Mitfahrzentralen, an Autovermietungen. Diese wurden als Hoffnungsträger für mehr soziale Verantwortung und Ressourcenschonung gesehen. Nachbarschaftsgärten, privates Car-Sharing und Food-Sharing stehen auch für eine Wertehaltung, die der Konsum- und Wachstumsorientierung kritisch gegenübersteht. Ganz im Gegensatz dazu die kommerziell geprägte Sharing-Economy. „Teilen statt besitzen“ ist hier das Geschäftsmodell. Neu ist „nur“, dass sich dies im Zeitalter der Smartphones und Internetplattformen schneller, einfacher und komfortabler organisieren lässt. Damit ist die Anzahl dieser Angebote sprunghaft gestiegen. Und das stellt in vielen Bereichen auch die Städte vor enorme Herausforderungen, bietet aber auch Entwicklungschancen.
Wien bleibt fair
Wien hat von Anfang an das Ziel verfolgt, die Share zu einer Fair Economy zu machen und hat immer die Bedeutung der Qualität der Arbeit und des fairen Umgangs betont. Damit waren wir anfangs nicht unbedingt mehrheitsfähig, was sich in den vergangenen Jahren jedoch geändert hat. Die Linie „Innovation und soziale Sicherheit“ wird inzwischen weitgehend geteilt.
Im Umgang mit den Nächtigungsplattformen wurde hierzu auch das Wiener Tourismusförderungsgesetz im Jahr 2017 geändert, um mit den Plattformen Vereinbarungen treffen zu können.
Viele Städte „sharen“
Die Städte haben sich in verschiedenen Konstellationen zusammengetan, um gemeinsam für eine verantwortungsvolle kollaborative Wirtschaft zu agieren. Wien hat während seiner Vorsitzzeit das Thema im Economic Development Forum (EDF) bei EUROCITIES eingebracht. Zudem gab es enge Austauschrunden mit Städten aus Osteuropa, organisiert durch die EurocommPR. Wien ist Teil einer Städtegruppe (Amsterdam Initiative), die gemeinsam mit der Europäischen Kommission nach besseren Lösungen und Regelungen sucht.
Die TeilnehmerInnen des Sharing Cities Summit 2018 in Barcelona (Copyright: Jordi Ribot Punti/ICONNA)
Seit 2016 treffen sich zudem einmal im Jahr Städte zu den Sharing Cities Summits. Diese Konferenz fand dieses Jahr in Barcelona statt und verabschiedete eine 10-Punkte-Erklärung. Eine formale Unterzeichnung gab es nicht, 31 Städte weltweit haben aber ihre Unterstützung erklärt, darunter New York City, Amsterdam, Barcelona, Mailand und Wien. Und weitere überlegen sich anzuschließen.
Städtische Grundsätze in der Plattformwirtschaft
- Differenzierung der Plattformmodelle nach gemeinnützigen (kollaborativen) Plattformen (wie Urban Gardening, Library of things, kleine lokale Plattformen) und plattformbasierten Geschäftsmodellen zur Gewinnmaximierung. Plattformen sind in diesem Sinne unterschiedlich zu behandeln.
- Beschäftigung: Durch neue Arbeitsvereinbarungen Einkommen erzielen, ohne zu sozialen prekären Verhältnissen oder zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand beizutragen.
- Arbeit: Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen (faire Löhne, Mindestlöhne, kollektive Lohnverhandlungen etc.)
- Inklusion: Gleicher Zugang zur (Plattform-)Arbeit für Menschen, unabhängig von Einkommen, Geschlecht und Herkunft
- Öffentliche Schutzmaßnahmen: Gewährleistung und Unterstützung von Gesundheits- und sozialen Standards
- Umweltverträglichkeit: Effiziente Ressourcennutzung, Förderung der Kreislaufwirtschaft, Reduktion der Emissionen und Abfälle. Sharing soll zu einem Weniger, nicht zu einem Mehr an Ressourcenverbrauch führen.
- Datensouveränität und digitale Rechte der BürgerInnen: Städte müssen in der Lage sein, auf datenschutzrelevante Informationen von in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Unternehmen / Plattformen zugreifen können (z. B. Informationen zu Verkehr, Sicherheit, Arbeit und potenzielle Informationen von öffentlichem Interesse).
- Städtesouveränität: Die geltenden Gesetze sind einzuhalten und praktikable Regulierungen zu schaffen, dort wo sie fehlen. Dies kann auch durch einen Verhandlungsrahmen zwischen Städten und Plattformen zur Einhaltung der Gesetze und der lokalen Bestimmungen erreicht werden.
- Wirtschaftsförderung: Lokale kollaborative Ökosysteme und insbesondere kleinere und mittlerere Unternehmen (KMU) sollen gefördert werden.
- Allgemeines Interesse und Allgemeinwohl: Wahrung des Rechts der Stadt auf den Schutz des Allgemeininteresses, des öffentlichen Raums und der grundlegenden Menschenrechte, z. B. Zugang zu bezahlbarem Wohnraum – für Wien ein wichtiges Anliegen.
Wir wissen, dass die Deklaration in vielen Punkten noch nicht perfekt ist – und sie hat keinerlei rechtliche Bindekraft. Die Stadt Wien darf sich aber in ihrer fairen Linie bestätigt sehen. Zudem freuen wir uns, dass sehr viele relevante Städte ähnliche Positionen vertreten. Das ist auch im Hinblick auf die laufenden Gespräche mit der Europäischen Kommission und auf Verhandlungen mit verschiedenen Plattformen von erheblicher Bedeutung.
Unterstützende Städte:
Amsterdam, Athen, Atlanta, Barcelona, Bethlehem, Bologna, Bordeaux, Buenos Aires, Göteborg, Grenoble, Kobe, A Coruña, Lissabon, Madrid, Mailand, Montreal, Montreuil, Maskat, New York, Paris, Reykjavík, San Francisco, Santiago de Compostela, São Paulo, Taipeh, Turin, Toronto, Umeå, València, Wien, Vitoria-Gasteiz
Weiterführende Informationen
Deklaration im Wortlaut (Englisch)
Zu den AutorInnen
- Klemens Himpele ist Leiter der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien.
@KHimpele - Iulia-Andreia Leopold ist stellvertretende Leiterin des Dezernats Grundlagen der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien.