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Sterben in Wien: die Todesfallstatistik seit 1707

Gräber am Baumgartner Friedhofvon Klemens Himpele

Am 31. Oktober vor 100 Jahren starb der weltberühmte Maler Egon Schiele im Alter von nur 28 Jahren in Wien. Dieses Jubiläum wollen wir zum Anlass nehmen, um die Todesfallstatistik der Stadt Wien näher zu beleuchten, die seit 1707 vorliegt.

Kurz vor Ende des 1. Weltkriegs wütete in Wien die Spanische Grippe, an der auch Schiele den Tod fand. Weltweit sind diesem Abkömmling des Influenzavirus, je nach Quelle, zwischen 25 und 50 Millionen Menschen zwischen 1918 und 1920 zum Opfer gefallen. In Wien dürften es etwa 6.500 Todesfälle gegeben haben, wobei es auch den begründeten Verdacht gibt, dass es eher doppelt soviele waren. Es wird hier davon ausgegangen, dass Grippetodesfälle fälschlich der Lungenentzündung zugordnet wurden (Lungenentzündung 1917: ca. 3.900 Fälle, 1918: 9.200, 1919: 3.900).

Die Statistischen Jahrbücher der Stadt Wien sind wahre Fundgruben, wenn es um die Todesursachen geht. Ebenso die 1956 von Felix Olegnik zusammengestellten Historisch-Statistischen Übersichten von Wien. Diese Daten harren teilweise noch ihrer systematischen Aufarbeitung, jedenfalls sind die Jahrbücher seit Kurzem auch elektronisch verfügbar, so dass jeder selbst recherchieren kann.

Pest, Cholera und Hochquellwasser

Den ersten Ausschlag bei den Sterbefällen findet man 1713, in diesem Jahr hat in Wien zum letzten Mal die Pest gewütet. Dieser Epidemie dürften etwa 2.000 WienerInnen zum Opfer gefallen sein, bei damals lediglich um die 110.000 EinwohnerInnen. Diese Pest hat ein sichtbares Zeichen in der Stadt hinterlassen: Die Karlskirche. Kaiser Karl VI. gelobte den Bau einer Kirche, wenn die Pest zu Ende gehe, was er dann auch umsetzte.


Geburten und Sterbefälle in Wien seit 2017

Danach suchte die Pest Wien nie mehr heim, dafür aber andere Epidemien. So sehen wir etwa Ausbrüche der Cholera in den Jahren 1831, 1836, 1849, 1854/55, 1866 und 1873. Insgesamt dürften zwischen 1831 und 1873 etwa 18.000 Menschen in Wien der Cholera zum Opfer gefallen sein. Ebenfalls viele Opfer forderte Typhus, etwa in den Jahren 1809. Genauer liegen uns hier Erkrankungszahlen vor: Bis 1873 sind diese Zahlen relativ hoch – Olegnik weist für 1871 noch 1.149 Erkrankungsfälle aus, danach sinkt die Zahl der Typhusfälle deutlich ab, dazu unten mehr.

Die dritte, regelmäßig auftretende Krankheit waren die Pocken (auch Blattern) mit jeweils über 1.000 Todesfällen in den Jahren 1872, 1873 und 1876 laut Olegnik. Allerdings konnten in Wien bereits 1799 die ersten Impfungen gegen Blattern durchgeführt werden. Cholera und Typhus wurden hingegen auch durch verunreinigtes Trinkwasser übertragen, weshalb nach der Fertigstellung der ersten Wiener Hochquellenleitung im Jahr 1873 die Anzahl der Todesfälle durch diese Epidemien rasant abnahm, was man auch in der Abbildung sieht: Die extremen Ausschläge der vergangenen Jahrzehnte tauchen nicht mehr auf.

Kriege und Krankheiten

Der starke Anstieg der Sterbefälle im Jahr 1890 ist ein statistisches Artefakt, hier wurden die Vororte südlich der Donau dem Wiener Stadtgebiet eingegliedert. Der Ausschlag 1918 lässt sich dann teilweise durch die eingangs erwähnte Spanische Grippe erklären, auch die Ruhr-Erkrankungen nahmen gegen Kriegsende deutlich zu.

Die Spitze bei den Sterbefällen von 1945 lässt sich u. a. auf drei Ursachen zurückführen: Wie bereits gegen Ende des 1. Weltkrieges breitete sich die Ruhr auch 1945 wieder in Wien aus. Olegnik weist 5.613 Ruhr-Erkrankungen für 1945 aus – zum Vergleich: 1948 waren es keine 100 mehr, 1944 waren es 392. Hinzu kommen 3.799 Typhuserkrankungen – auch diese haben vor und nach 1945 eine untergeordnete Rolle gespielt. Schließlich wissen wir aus dem Statistischen Jahrbuch dieser Zeit, dass es 1945 7.016 Tote durch Fliegerangriffe und Kampfhandlungen in Wien gegeben hat.

Starke Steigerung der Lebenserwartung im 20. Jahrhundert

Heute spielen Pest, Cholera, Typhus und Blattern keine Rolle mehr bei den Todesursachen in Wien. Die Gründe sind die Entwicklungen in der Medizin und die deutlich besseren hygienischen Bedingungen, insbesondere die Qualität des Wiener Trinkwassers ist hervorzuheben. Verbunden mit weiteren Faktoren – etwa der Ernährung – führt dies dazu, dass die Lebenserwartung in Wien massiv gestiegen ist, wie den Statistischen Mitteilungen der Stadt Wien (Heft 4/2000) bzw. der Homepage der Statistik Austria entnommen werden kann: Die durchschnittliche Lebenserwartung eines männlichen Neugeborenen betrug um 1650 rund 13-18 Jahre, sie stieg zur Jahrhundertwende um 1900 auf 36,7 Jahre, 1951 dann auf 62,0 Jahre und liegt heute bei 78,4 Jahre. Bei den weiblichen Neugeborenen betrug die Lebenserwartung um 1650 etwa 17 bis 22 Jahre, um 1900 bereits 41,6 Jahre, 1951 dann 67,8 Jahre und heute 82,9 Jahre.

Auf die Sterbezahlen hat die Lebenserwartung bekanntlich keine Auswirkung. Kurzfristig hält sie durch Verzögerung die Zahl der Todesfälle etwas niedriger. Langfristig entspricht die Summe (ab-/zuzüglich Migrationsbewegungen) der Geburten jedoch immer jener der Sterbenden.

Zum Autor

  • Klemens Himpele ist Leiter der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien.
    @KHimpele

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