Zum Inhalt Zum Hauptmenü
  • twitter
  • rss
Menu

Rekordinflation: Woher sie kommt und wen sie trifft

von Maximilian Mayerhofer und Anna Pixer

Der Anstieg der Verbraucherpreise beträgt im Mai laut Statistik Austria +7,7 % und liegt damit auf dem höchsten Wert in Österreich seit rund 50 Jahren. Zuletzt stieg das Preisniveau so stark während der Ölpreiskrise der 1970er- bzw. 1980er-Jahre an. Vom Anstieg besonders betroffen sind Niedrigerverdienerinnen und -verdiener, da sie einen großen Teil ihres Einkommens für nun teurer werdende Produkte ausgeben, etwa den Energiekosten beim Wohnen oder Nahrungsmittel. Gemessen am Einkommen haben sie die höchsten Mehrkosten durch die Inflation.

Woher kommt der Preisanstieg?

Bereits seit dem Frühjahr 2021 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Verbraucherpreise zu beobachten, der auf verschiedene Gründe zurückzuführen ist. Eine große Rolle spielen dabei globale Lieferkettenprobleme, die aufgrund weltweiter Corona-Schließungen zu Knappheiten bei Materialien und Vorprodukten geführt haben. Dafür beispielhaft ist das Herunterfahren der Häfen in China, das den Güterverkehr über Containerschiffe unterbrochen hat. Gleichzeitig hat das Wiederaufleben der weltweiten Konjunktur zu verstärkter Nachfrage geführt. Insgesamt sind die Preise im letzten Jahr kräftig angezogen.

Derzeit beeinflusst auch der Krieg in der Ukraine das Preisniveau vieler Güter. So liegt der Preisanstieg im Mai bei 7,7 %, was den Höhepunkt der seit Monaten steigenden Verbraucherpreise darstellt. Die Gesamtinflation lässt sich dabei in unterschiedliche Produktgruppen zerlegen, wodurch sich die großen Treiber feststellen lassen. Einen bedeutenden Beitrag, nämlich 2,6 Prozentpunkte bzw. ein Drittel der Gesamtinflation, machen gestiegene Energiepreise aus (v. a. für Treibstoffe, aber auch Wohnen). Diese hängen mit dem Russland-Ukraine-Krieg, den verhängten Sanktionen sowie der von Unternehmen eingepreisten ökonomischen Unsicherheit zusammen, sind zum Teil jedoch auch der Struktur des Strommarktes geschuldet. Da Energie zudem als Vorleistung zur Erzeugung fast aller Güter und Dienstleistungen benötigt wird, können sich gestiegene Energiepreise letztlich in sehr vielen Bereichen der Volkswirtschaft niederschlagen.

Einen weiteren großen Beitrag macht der Anstieg der Nahrungsmittelpreise aus, der ca. 1 Prozentpunkt zur Gesamtinflation beiträgt. Das kann einerseits auf Preissteigerungen bei benötigten Vorprodukten im letzten Jahr zurückgeführt werden (z. B. Agrarprodukte wie Getreide, bei der Verpackung, Lieferkettenprobleme). Andererseits können auch hier wieder unternehmerische „Risikoaufschläge“ eine Rolle spielen, die aufgrund der Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung gemacht werden.

Ein starker Preisauftrieb ist auch in der Gastronomie und Hotellerie zu sehen, wobei die Preissteigerungen in der Hotellerie fast doppelt so hoch ausfallen wie in der Gastronomie. Neben der Rückkehr der Nachfrage nach den Geschäftsschließungen ist auch das Auslaufen der bis Ende letzten Jahres befristeten Mehrwertsteuersenkung als Ursache zu nennen. Denn während die vorherige Senkung der Steuer die Preise unverändert ließ (und auch als Liquiditätsstütze für den Tourismus gedacht war), hat die Wiederanhebung zu Preissteigerungen vor allem in der Hotellerie geführt.

Prognosen für den weiteren Verlauf der Inflation sind derzeit mit hoher Unsicherheit behaftet. Das WIFO rechnet in einer Ende Mai aktualisierten Prognose mit einer Inflation von etwa 7,8 % für das Gesamtjahr 2022. Das wäre der höchste Anstieg der Verbraucherpreise seit 1975. Davon betroffen sind auch Wirtschaft und Arbeitsmarkt. So wurde die BIP-Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts für Österreich 2022 nach dem Angriffskriegs Russlands in der Ukraine von +5,2 auf +4,3 % deutlich nach unten korrigiert. Für Wien beträgt die neueste Schätzung vom Mai einen erwarteten Anstieg der realen Bruttowertschöpfung von +3,7 % für 2022.

Wen treffen die hohen Preise?

Die hohen Preise erreichen alle Wienerinnen und Wiener – jedoch nicht alle gleich stark. Haushalte mit niedrigem Einkommen sind durch die Teuerung stärker belastet. Das hat zwei Gründe: Zum einen haben Niedrigverdienerinnen und -verdiener weniger Einkommen zur Verfügung, um die Teuerung abzufedern. Zum anderen variieren die Ausgaben für verschiedene Güter und Dienstleistungen merklich je Einkommensgruppe. Geringverdiener geben dabei größere Teile ihrer Gesamtausgaben für Produkte aus, deren Preise derzeit besonders stark steigen. Die untersten 10 % der Einkommen verwenden beispielsweise fast zwei Drittel ihrer gesamten Ausgaben für die Grundbedürfnisse Wohnen & Energie (33 %) sowie Ernährung & Bekleidung (25 %). Die obersten 10 % nur etwas mehr als ein Drittel. Da jedoch gerade diese Gütergruppen derzeit stark von Preissteigerungen betroffen sind, spüren Geringverdiener die Teuerung besonders. Anders bei den Ausgaben für den Verkehr: Hierfür geben die einkommensstärksten Haushalte etwa doppelt so viel aus wie die einkommensschwächsten.

Geringverdienende haben die höchsten Mehrkosten

Wie stark sich die Teuerung tatsächlich auf die Haushalte auswirkt zeigt sich, wenn die aufgrund der Inflation anfallenden Mehrausgaben nach Einkommensgruppen berechnet werden (siehe Methodenbox für Näheres). Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt hat monatliche Ausgaben von 2.160 Euro (bei einem Netto-Einkommen von rund 2.600 Euro). Eine Teuerungsrate von 7,7 % (Mai 2022) bedeutet so Mehrausgaben von rund 170 Euro bzw. etwa 6,5 % des Einkommens. Wird dieselbe Rechnung für die verschiedenen Einkommensgruppen angestellt und dabei der oben beschriebene Unterschied im Konsummuster berücksichtigt, ergeben sich für das unterste Einkommenszehntel allein im Mai 2022 absolute Mehrausgaben von rund 100 Euro monatlich.

Haushalte mit höherem Einkommen haben wenig überraschend auch höhere absolute Mehrausgaben, da sie mehr konsumieren (können). Verteilungspolitisch relevanter ist jedoch, wie viel diese Mehrausgaben am jeweiligen Einkommen ausmachen. Gemessen am Einkommen wird die überproportionale Belastung der Niedrigverdiener klar: Während ihre Mehrausgaben mehr als 8 % des Einkommens ausmachen, sind die bestverdienensten Österreicherinnen und Österreicher (im obersten Einkommenszehntel) mit rund 5 % an Mehrkosten konfrontiert. Dieser Effekt zeigt sich auch abseits der aktuellen Situation, wenn auch weniger drastisch: Im Mai 2019 (Vorkrisenjahr) waren die inflationsbedingten Mehrausgaben eine etwa doppelt so hohe Belastung für niedrige als für hohe Einkommensgruppen.

Maßnahmenpakete treffsicher gestalten

Die Bundesregierung hat bis Mai 2022 zwei Anti-Teuerungspakete mit einem Gesamtvolumen von rund 3,7 Milliarden Euro vorgelegt. Die Maßnahmen wurden sowohl vom Budgetdienst als auch vom WIFO auf ihre Verteilungswirkung untersucht. Dabei zeigt sich, dass sich das Entlastungsvolumen relativ gleichmäßig auf die fünf Einkommensquintile verteilt, hohe Einkommen also absolut gesehen in gleichem Umfang entlastet werden wie niedrige Einkommen. Während Niedrigverdiener vor allem von den Einmalzahlungen profitieren (Energiekostenausgleich und Teuerungsausgleich), kommt den oberen Einkommen etwa die Erhöhung des Pendlerpauschale zugute, da sich Pendlerinnen und Pendler vorwiegend in höheren Einkommensgruppen befinden. Zusätzlich wurden Mitte Juni 2022 weitere Maßnahmen gegen die Teuerung präsentiert. So soll nun etwa der Klimabonus einmalig erhöht und ein weiterer Teuerungsbonus ausbezahlt werden. Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe sollen an die Inflation angepasst und die kalte Progression durch die automatische Anpassung der Tarifstufen abgeschafft werden.

Eine gute Übersicht der einzelnen Maßnahmen bietet der Budgetdienst. Jedenfalls anzumerken ist, dass Einmalzahlungen bei anhaltend hoher Inflation keine nachhaltige Entlastung darstellen und gerade sozial schlechter gestellte Haushalte eine strukturelle Unterstützung benötigen würden. So bedeutet allein die Inflation im Mai etwa 100 Euro an Mehrausgaben für die niedrigsten Einkommensbezieherinnen und -bezieher. Auch wäre zu überlegen, pauschale Transfers, die sich an (beinahe) alle Haushalte richten (z.B. der Energiebonus), der Einkommensteuer zu unterziehen, um so öffentliche Mittel zielgerichteter zu verteilen.
Maßnahmen zur Reduktion der Preise selbst spielen in den Anti-Teuerungspaketen eine eher untergeordnete Rolle. Zum Vergleich: In anderen Ländern wurden etwa Preisdeckel bei bestimmten Gütern (z.B. beim Treibstoff) eingeführt. Ein ähnliches Konzept könnte auch für den Grundbedarf an Energie diskutiert werden, um so den notwendigsten Bedarf zu sichern – alles, was darüber hinaus ginge, könnte dann dem (regulären) Marktpreis unterliegen. Langfristig muss jedenfalls ein Weg abseits fossiler Energieträger gefunden werden, um eine finanz-, sozial- als auch klimapolitisch sichere Zukunft zu schaffen.

Drohenden Anstieg der Armut verhindern

Österreichweit gelten derzeit etwa 1,3 Millionen Menschen bzw. 15 % der Gesamtbevölkerung als armutsgefährdet, verdienen also weniger als 60 % des mittleren Einkommens. Ergänzend zu den Maßnahmen des Bundes wurde in Wien das Paket „Energieunterstützung Plus“ beschlossen, das unter anderem Transferzahlungen für besonders betroffene Personen (z.B. Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung) sowie die Übernahme von Zahlungsrückständen bei den Energiekosten vorsieht. Durch die Wiener Landesregierung wurde nun auch eine weitere Einmalzahlung an Wiener Haushalte angekündigt: Im Herbst 2022 sollen 200 Euro an alle Haushalte fließen, die weniger als 40.000 (Einpersonenhaushalte) bzw. weniger als 100.000 Euro (Mehrpersonenhaushalte) Bruttoeinkommen pro Jahr zur Verfügung haben. Die Maßnahme erreicht mit rund 650.000 Haushalten deutlich mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung. Generell sollte sichergestellt werden, dass auch armutsgefährdete Personen ohne Leistungsbezug von der Entlastung erreicht werden. Eines der Hauptziele sollte nämlich sein, einen Anstieg der Armutsgefährdung zu verhindern und Wohlstandsverluste abzufedern.

 

* Glossar bzw. Methodik

Für die Auswertung der Konsummuster der Wiener Haushalte nach Einkommenszehntel wurde die Haushaltsbefragung der Konsumerhebung 2014/15 von Statistik Austria verwendet. Die Ausgaben werden dabei übergeordnet in 12 Produktgruppen (COICOP) klassifiziert. Für die einfachere Lesbarkeit wurden sie zu 6 Kategorien zusammengefasst.

Als Basis für die Berechnung der Mehrausgaben wurde die Konsumerhebung 2019/20 herangezogen. Die Höhe der Inflationsraten (bzw. des Verbraucherpreisindex) wurde von Statistik Austria erhoben und berechnet. Neben der pauschalen Inflationsrate (z. B. 7,7 % für Mai 2022) werden auch Inflationsraten für verschiedene Güter bzw. Produktgruppen (also z. B. Wohnen & Energie, Verkehr, Freizeit etc.) publiziert, wodurch die inflationsbedingten Mehrausgaben für diese Gruppen detailliert berechnet werden können. Diese Berechnung wurde für alle Einkommenszehntel durchgeführt und die Belastung am jeweiligen Einkommen gemessen.

Äquivalisierung der Einkommen & Ausgaben: Sowohl Einkommen als auch Ausgaben sind in der Analyse äquivalisiert. Das bedeutet, dass die Haushalte in eine fiktive einheitliche und vergleichbare Größe umgerechnet werden, indem man Einkommen und Ausgaben durch die (gewichtete) Anzahl der Haushaltsmitglieder dividiert. Wenn beispielsweise in einem Haushalt zwei Erwachsene leben, wird das gesamte Haushaltseinkommen und alle Ausgaben durch zwei geteilt. So wird z.B. ein Ein-Personen-Haushalt mit einem Zwei-Personen-Haushalt vergleichbar. Kinder haben dabei ein kleineres Gewicht, da sie weniger zu den Haushaltsausgaben beitragen.

 

Zu den Autorinnen und Autoren

  • Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).
  •  

  • Anna Pixer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).

Einen Kommentar schreiben

Bitte beachten Sie

  • Ihre E-Mail wird privat gehalten.
  • Pflichtfelder sind markiert mit *
Kommentar



Datenschutzbestimmungen

  • twitter
  • rss