Montag und Dienstag (12. und 13. Dezember 2016) wird im Wiener Gemeinderat der Voranschlag für das Jahr 2017 öffentlich diskutiert. Wir nehmen dies zum Anlass und bloggen hier im Detail über das kommende Budget, Wiens Herausforderungen und die Neuerungen ab dem Budget 2017.
Wie wird der Voranschlag der Stadt Wien beschlossen?
Sobald der Voranschlag erstellt wurde, muss er spätestens 6 Wochen vor Beginn des jeweiligen Voranschlagsjahres an die Mitglieder des Gemeinderatsausschuss (GRA) für Finanzen sowie an die Mitglieder des Stadtsenats (Bürgermeister, amtsführende StadträtInnen, nicht-amtsführende StadträtInnen) geschickt werden. In einer gemeinsam Sitzung diskutieren der GRA für Finanzen und der Stadtsenat den Voranschlag und stimmen jeweils getrennt darüber ab. Nachdem beide Gremien ihre Zustimmung gegeben haben, wird der Voranschlag im Wiener Gemeinderat öffentlich diskutiert und beschlossen. Diese Sitzungen finden heuer am 12. und 13. Dezember 2016 statt. In der selben Sitzung werden auch die Wirtschaftspläne der drei Unternehmungen (Wien Kanal, Krankenanstaltenverbund und Wiener Wohnen) öffentlich diksutiert und beschlossen. Dann gilt der Voranschlag auch für das jeweilige Voranschlagsjahr.
NEU: Finanzrahmen 2017-2022 und Strategiebericht 2017-2019
Der Voranschlag 2017 bringt eine Neuerung: Einen mehrjährigen Finanzrahmen und Strategiebericht. Dieser legt die wirtschafts-, fiskalpolitischen sowie finanzausgleichsrelevanten Rahmenbedingungen kurz und prägnant dar. Daraus ergeben sich die finanziellen Möglichkeiten und die strategischen Zielstzeungen für den Betrachtungszeitraum 2017-2022 (Finanzrahmen) bzw. 2017-2019 (Strategiebericht) der Stadt Wien.
Neu ist ebenfalls die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2018 bis 2022. Diese beinhaltet den von der Wiener Stadtregierung festgelegten Konsolidierungspfad. Damit sichert Wien einerseits nötige Investitionen (zB in Bildung, Wohnen und Gesindheit) und achtet dabei andererseits auf die ökonomischen Rahmenbedingungen. Mit der Wiener Struktur- und Ausgabenreform WiStA und dem Reformprozess „Wien Neu Denken“ wird dem Rechnung getragen. Das Ziel ist, den finanziellen Handlungsspielraum für Investitionen sicherzustellen und gleichzeitig – sofern es die ökonomischen faktoren zulassen – die Neuverschuldung entsprechend den Regeln des strukturellen Defizits zu begrenzen.
Wichtig ist zu beachten, dass der Finanzrahmen die Planungen der Stadt Wien für die Erstellung der Voranschläge 2017, 2018 und 2019 aus heutiger Sicht darstellen. Die Jahre 2020 bis 2022 stellen lediglich Planungsvorschauen dar.
Öffentliche Haushalte in Österreich: Rahmenbedingungen und gemeinsame Herausforderungen
Bevölkerungsentwicklung
Seit 2011 erhöhte sich die Bevölkerung in Wien um 126.000 Personen auf 1,84 Millionen BewohnerInnen (Stand 1.1.2016). Damit erlebt die Bundeshauptstadt eine demografische Entwicklung, wie sie nur zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten war. In den letzten 15 jahren wuchs Wien um 19% – letztes Jahr sogar genau so stark wie Berlin. Laut den Prognosen der Abteilung für Wirtschaft, Arbeit und Statistik – MA 23 wird sich dieses demographische Wachstum auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Bis zum Jahr 2024 könnte Wien auf damit 1,95 Millionen Menschen wachsen.
Bildung und Kinderbetreuung
Wien wird dabei älter und jünger zugleich: Sowohl die Anzahl der Menschen, die das 75. Lebensjahr überschritten haben, als auch die Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren werden zahlenmäßig deutlich ansteigen. Gab es 1990 noch rund 54.000 SchülerInnen in Wiens Volksschulen, waren es 15 Jahre später bereits rund 10.000 mehr. Prognosen sprechen aktuell von einer jährlichen Steigerung von über 2.500 Kindern in Wiens Schulen und Kindergärten. Neben der Beibehaltung des Gratiskindergartens investiert Wien daher massiv in den Ausbau von Bildungsinfrastruktur für unsere Jüngsten, etwa durch die Verlängerung des Schulsanierungspakets und neue Bildungscampus-Standorte.
Gesundheit und Soziales
Der Bereich Gesundheit und Soziales entwickelt sich besonders dynamisch – nicht zuletzt aufgrund der Verschiebungen in der Alterspyramide: So stiegen die Nettoausgaben der Stadt Wien zwischen 2008 bis 2016 (Voranschlag) um rund 34 Prozent. Konkret im Bereich Soziales um rund 65 Prozent, im Pflegebereich um 52 Prozent sowie im Bereich Krankenanstalten um 17 Prozent. Diese machen auch über 40 Prozent des Wiener Budgets aus, daher war dieses Finanzierungs-Thema auch bei den kürzlich abgeschlossenen Finanzausgleichsverhandlungen ein wesentlicher Schwerpunkt.
Grafik: Voranschlag 2017 – Wachsende Herausforderungen für die Stadt Wien
Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Nicht zuletzt durch die ab 2016 wirksame Steuerreform der Bundesregierung dürfte sich die Entwicklung der Wiener Wirtschaft im Einklang mit der österreichischen Konjunktur verbessern, allerdings ohne in einen kräftigen Aufschwung zu münden. Nach 0,5 Prozent Wachstum im Jahr 2015 könnte das Wiener Regionalprodukt 2016 real um 1,4 % zulegen. Die Gründe für dieses gedämpfte Wachstum liegen hauptsächlich darin, dass Wien als erstrangiges Dienstleistungszentrum von stagnierenden Einkommen und damit einer schwachen Entwicklung des privaten Konsums verstärkt betroffen ist.
2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 (Prognose) | 2016 (Prognose) | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Wien | +0,7% | +1,3% | -0,8% | +1,1% | +/-0,0% | +0,5% | +1,4% |
Österreich | +2,0% | +3,0% | +0,8% | +0,5% | +0,3% | +0,9% | +1,8% |
Quelle: WIFO, Österreich-Prognose vom Juni 2016 (WIFO-Monatsbericht 07/2016); Wien-Prognose: Konjunkturbericht Frühjahr 2016 auf Basis der Österreich-Prognose vom März 2016
Der Wiener Arbeitsmarkt ist bereits seit Jahrzehnten von einem voranschreitenden Strukturwandel gekennzeichnet. Inzwischen arbeiten rund 85 Prozent der Beschäftigten in Dienstleistungssektoren. Gleichzeitig gab es eine starke Zunahme von Jobs in hochqualifizierten Angestelltenberufen, sowohl in Produktions- als auch in Dienstleistungsbranchen. ZUm Beispiel arbeiten heute nur noch rund 40 Prozent aller Beschäftigten in der Wiener Sachgütererzeugung in ArbeiterInnenberufen. Die Entwicklung hat zur Folge, dass heute rund 50 Prozent aller Beschäftigten am Wiener Arbeitsmarkt in hochqualifizierten Angestelltenberufen mit zumindest Maturaniveau tätig sind, weitere 30 Prozent in qualifizierten Büro- und Dienstleistungstätigkeiten und nur noch 20 Prozent in Berufen mit einem manuellen Tätigkeitsschwerpunkt. Das WIFO gelangt in einer Beschäftigungsprognose auf einen Zuwachs der unselbstständigen Beschäftigung in Wien um 54.600 Jobs bis 2020. Generell wird der Wiener Arbeitsmarkt laut WIFO auch in den nächsten Jahren vor allem in den Dienstleistungssektoren Beschäftigungszuwächse erzielen: Etwa im Handel (+1.700), bei Beherbergung und Gastronomie (+3.500), Information und Kommunikation (+8.200) oder bei freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen (+9.100). Als wichtigste Wachstumsbranchen werden Erziehung und Unterricht (+11.200) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (+14.200) eingestuft.
Strukturreform
Das mittlerweile neunte Jahr der Weltwirtschaftskrise bedeutet auch weniger Einnahmen und steigende Ausgaben für öffentliche Haushalte. Daher hat Wien im Frühjahr 2016 einen großen Struktur- und Ausgabenreformprozess (WiStA) gestartet und vor wenigen Wochen Maßnahmenpakete vorgelegt. Diese haben 2017 ein budgetwirksames Volumen von 100,00 Millionen Euro (ohne noch zu verhandelndes Personal- und Politikpaket). Weitere Maßnahmen werden im Prozess „Wien Neu Denken“ in vier Innovationsgruppen (Neuorganisation der Steuerung der Stadt, Deregulierung und Vereinfachung, Bezirksreform sowie Stadtteil- und Grätzelarbeit) und einer Projektgruppe (Schaffung einheitliches Wohngeld) im kommenden Jahr erarbeitet.
Das Budget 2017
Die Eckdaten
Das Budget des Jahres 2017 sieht Gesamteinnahmen von 12.822,51 Millionen Euro und Gesamtausgaben von 13.392,13 Millionen Euro vor. Das bedeutet einen administrativen Abgang von 569,62 Millionen Euro (Voranschlag 2016: 513,54 Mio. Euro) bzw. einen Maastricht-Saldo von -592,72 Millionen Euro. Die Neuverschuldung beträgt 2017 daher rund 0,65 Prozent der Wiener Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Die geplante Neuverschuldung des Bundes 2017 beträgt 1,22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Einnahmen
Bei den Einnahmen steigt der Anteil der eigenen Steuern an den Gesamteinnahmen gegenüber dem im Vorjahr prognostizierten Wert nominell um rund 37,6 Millionen Euro auf 1.369,1 Millionen Euro (10,7% der Gesamteinnahmen). Die vorläufig festgestellten Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben einschließlich des Anteils an der Spielbankabgabe steigen um rund 254,2 Millionen EUR und erhöhen sich auf 6.041,7 Millionen Euro (47,0% der Gesamteinnahmen). Bei den Gebühren wird u.a. durch die ab 1.1.2017 vorgesehenen Valorisierungen eine Steigerung um 20,7 Millionen EUR auf 471,1 Millionen Euro erwartet.
Grafik: Voranschlag 2017 – Einnahmearten
Ausgaben
Die Investitionstätigkeit wird weiter auf sehr hohem Niveau fortgesetzt. So sind im Kernmagistrat Investitionen von 1.719,41 Millionen Euro (Rechnungsabschluss 2015: 1.709,41 Millionen Euro) vorgesehen. Inklusive der Unternehmungen, den Wiener Stadtwerken und der Wiener Wirtschaftsagentur hat die Stadt Wien vor, Investitionen in der Höhe von 2.694,58 Millionen Euro (RA2015: 2.558,17 Millionen Euro) zu tätigen. Insgesamt sind für das Jahr 2017 so genannte nachfragewirksame Ausgaben in der Höhe von 4.940,72 Millionen Euro (RA2015: 4.692,03 Millionen Euro) geplant.
Das bedeutet im kommenden Jahr für einzelne Schwerpunkte:
VA 2017 | RA 2015 | |
---|---|---|
Bildung | 1.541,60 Mio. Euro | 1.530,40 Mio. Euro |
Kinderbetreuung | 811,79 Mio. Euro | 757,30 Mio. Euro |
Gesundheit | 2.207,64 Mio. Euro | 2.104,21 Mio. Euro |
Soziales | 1.906,10 Mio. Euro | 1.658,78 Mio. Euro |
Wirtschaftsförderung | 144,51 Mio. Euro | 129,57 Mio. Euro |
Wohnbauförderung | 577,74 Mio. Euro | 558,13 Mio. Euro |
Grafik: Voranschlag 2017 – Ausgabengruppen
Ziel: Strukturell ausgeglichener Haushalt bis 2020
Die öffentlichen Haushalte in ganz Österreich stehen vor ähnlichen Herausforderungen und gehen einen gemeinsamen Weg: Investieren und Konsolidieren. Wien befindet sich auf einer Linie mit den Budgetzielen der Bundesregierung, wie folgende Grafik anschaulich zeigt.
Grafik: Voranschlag 2017 – Wien und Bund senken Neuverschuldung bis 2020
Der Wiener Konsolidierungspfad hat als Ziel, 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen – noch früher als der Bund. Der Konsolidierungspfad sieht im Detail vor (Angaben in Millionen Euro):
Konsolidierungspfad | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|---|---|---|
Einnahmen | 12.822,5 | 12.921,4 | 13.025,2 | 13.170,4 | 13.470,5 | 13.728,6 |
Ausgaben | 13.392,1 | 13.297,4 | 13.213,2 | 13.170,4 | 13.470,5 | 13.728,6 |
Saldo = Finanzrahmen | -569,6 | -376,0 | -188,0 | 0 | 0 | 0 |
voraus. strukturelles Ergebnis | -564,0 | -360,0 | -160,0 | -82,7 | -85,2 | -87,9 |
Grafik: Voranschlag 2017 – Wiens Weg zum strukturell ausgeglichenen Haushalt
Ziel ist, Wien – trotz der großen budgetären Herausforderungen – in den nächsten Jahren nachhaltig zu konsolidieren. Ab 2019 wird demnach Wiens Verschuldung in Prozent des Bruttoregionalprodukts (BRP) wieder sinken.
Grafik: Voranschlag 2017 – Wiens Gesamtverschuldung in Prozent des BRP sinkt ab 2019 wieder
Planungen der administrativen Salden für Magistratsdirektion und Geschäftsgruppen
Die nachfolgend dargestellten administrativen Salden der Magistratsdirektion bzw. der Geschäftsgruppen entsprechen der Budgetprognose sowie den Planungen aufgrund der bei der Erstellung des Voranschlags 2017 vorliegenden Daten und politischen Entscheidungen. Zukünftigen politische Schwerpunktsetzungen, die Umsetzung der WiStA-Ergebnisse und die noch zu erarbeitenden Maßnahmen, die im Reformprozess „Wien Neu Denken“ festgelegt werden, haben eine entsprechende Adaptierung der dargestellten Zahlen zur Folge.
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Magistratsdirektion
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Frauen, Bildung, Integration, Jugend & Personal
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaft & Internationales
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Kultur, Wissenschaft & Sport
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Gesundheit, Soziales & Generationen
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung & BürgerInnenbeteiligung
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Umwelt & Wiener Stadtwerke
Grafik: Voranschlag 2017 – Planungen 2017-2022 Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau & Stadterneuerung
Wirtschaftspläne der Unternehmungen nach §71 WStV
In der selben Gemeinderats Sitzung, in der der Voranschlag der Stadt Wien diskutiert und beschlossen wird, werden auch die Wirtschaftspläne der drei Unternehmungen der Stadt Wien ebenso öffentlich diskutiert und beschlossen. Unternehmungen unterscheiden sich formal insofern von Unternehmen im klassischen Sinn, als dass sie keine Rechtspersönlichkeit besitzen, ihr Vermögen jedoch vom übrigen Vermögen der Gemeinde gesondert verwaltet wird. Das sind in Wien die drei Unternehmungen „Stadt Wien – Wiener Wohnen“, „Wiener Krankenanstaltenverbund“ und „Wien Kanal“. Sie stellen jährlich Wirtschaftspläne auf, die jeweils einen Erfolgsplan, einen Investitionsplan, einen Finanzschuldenrückzahlungsplan sowie einen Finanzierungsplan beinhalten.
Grafik: Voranschlag 2017 – Entwicklung der Verschuldung der Unternehmungen der Stadt Wien