Zum Inhalt Zum Hauptmenü
  • twitter
  • rss
Menu

Die Konjunkturtreppe: Müssen wir uns an niedrigeres Wirtschaftswachstum gewöhnen?

#wieninzahlen-Chart Story #4 (08/2019)

Die Financial Times brachte vor Kurzem eine Grafik zur US-Wirtschaftsentwicklung, die auch auf Twitter diskutiert wurde. Diese erlebt zurzeit ihre längste Wachstumsperiode der Nachkriegszeit, wie US-Präsident Trump nicht müde wird zu betonen. Der Haken: Das durchschnittliche Wachstum in dieser Rekordperiode ist niedriger als je zuvor. Für Wien gibt es leider keine so lange zurückliegenden Daten – wir haben uns die Sache daher in unserer vierten #wieninzahlen-Chart Story für ganz Österreich angesehen.

Die von der FT und von uns verwendete Variante des Marimekko-Diagramms zeigt die durchschnittliche jährliche reale Wirtschaftsentwicklung während Wachstums- und Schrumpfungsphasen. Die dargestellten Phasen grenzen sich durch den Wechsel von Wachstum zu Schrumpfung oder umgekehrt ab.


Grafik: Perioden des Wirtschaftswachstums in Österreich seit 1955

Auf den ersten Blick erkennt man, dass die österreichische Wirtschaftsentwicklung stabiler ablief als die amerikanische: Neun Rezessionen seit 1955 in den USA stehen nur fünf in Österreich gegenüber. Die längste Wachstumsperiode fand bei uns zwischen 1982 und 2008 statt und dauerte 27 Jahre. Im Gegensatz zu den USA ging es in Österreich seit der Krise 2009 nicht kontinuierlich nach oben: Die fragwürdige EU-Sparpolitik im Zuge der „Euro-Rettung“ führte dazu, dass es im Jahr 2013 gerade einmal ein Null-Wachstum gab.

Das langfristige durchschnittliche Wachstum sinkt sowohl hierzulande als auch in den USA, wie die Form der absteigenden Treppe der positiven, blau-violetten Balken zeigt. Im österreichischen und deutschen Nachkriegsboom („Wirtschaftswunder“) waren Raten über 5 % normal. Nach den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre sank das mittlere Wirtschaftswachstum auf 2,5 %. Auf die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise folgten durchschnittlich1,8 % Zuwachs pro Jahr, mit der einjährigen Pause 2013. Gegen die schwere Rezession vor zehn Jahren wirken die Ölpreiskrisen, die tief in der Erinnerung vieler Österreicher („autofreier Tag“) verankert sind, harmlos: 2009 brach die Wirtschaft um fast 4 % ein, in den 1970ern waren es nur 0,4 % (zwei Mal hintereinander).

Die verschiedenen Wirtschaftsphasen haben wohl auch „ihre“ Generationen geprägt: Wer vor, während oder nach dem 2. Weltkrieg geboren wurde, also heute zwischen 65 und 85 Jahre alt ist, stieg in Zeiten mit hohem Wachstum und wirtschaftlichen Optimismus in den Arbeitsmarkt ein. Die in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren geborenenn „Babyboomer“ wurden in den wirtschaftlich-kriselnden 1970er-Jahren in der Arbeitswelt sozialisiert. Sie erlebten, wie auch die in den 1970er- Jahren geborenen Österreicher, in ihren 20ern stabiles, aber nicht mehr überragendes wirtschaftliches Wachstum – trotzdem war die Zeit von niedriger Arbeitslosigkeit geprägt. Die in den 1980er- und 1990er-Jahre geborenen Kinder der Babyboomer stiegen kurz vor bzw. während der schweren globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ins Erwachsenenleben ein.

Müssen wir uns also an niedrigeres Wachstum gewöhnen?

Vermutlich schon, wobei dies vielfältige Gründe hat. Einerseits wachsen Zwerge schneller als Riesen: Nach dem Zweiten Weltkrieg war Österreich ein aufstrebendes, aber noch nicht hochentwickeltes Land, und kam schnell vorwärts – vergleichbar mit China oder Osteuropa im 21. Jahrhundert. Heute dagegegen gehört unsere (kaufkraftbereinigte) Wirtschaftsleistung pro Kopf zu den höchsten der Welt.
Andererseits gehen viele Ökonomen davon aus, dass die Deregulierung der Finanzmärkte seit den 1980er-Jahren für die folgenreiche Krisen ab 2008 verantwortlich war und die EU-Krisenpolitik wenig zur Verbesserung der Lage beigetragen hat.

Einen Kommentar schreiben

Bitte beachten Sie

  • Ihre E-Mail wird privat gehalten.
  • Pflichtfelder sind markiert mit *
Kommentar



Datenschutzbestimmungen

  • twitter
  • rss