von Alina Pohl
Nach mehreren Jahren der Krise spüren wir heuer erstmals die positiven Entwicklungen des Konjunkturaufschwungs. Nach Aufwärtstendenzen im Vorjahr hat sich die Dynamik der Wiener Wirtschaft nach Jahreswechsel 2016/2017 erheblich beschleunigt. Die Wirtschaft Wiens wuchs im Jahr 2017 mit +2,5% – das ist das höchste Wirtschaftswachstum seit zehn Jahren. Im für Wien besonders wichtigen Dienstleistungsbereich hat sich das Wertschöpfungswachstum im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdoppelt. Der Zuwachs der Wirtschaftsleistung ist damit wieder so hoch wie zuletzt vor der Krise. Die Dynamik wird laut WIFO auch im nächsten Jahr anhalten (Prognose 2018 +2,5%) und zu einer merklichen Entspannung des regionalen Arbeitsmarktes beitragen.
Wirtschaftswachstum Wien – Bruttowertschöpfung real | |||
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 |
+1,2% | +1,5% | +2,5% | +2,5% |
Quelle: Statistik Austria | Quelle: WIFO (Prognose November 2017) |
Eigentliche Ursache für die rasante Beschleunigung der heimischen Konjunktur ist vor allem die internationale Nachfrage; die Exporte stiegen 2017 an (+5,5 %). Diese Entwicklung ist unter anderem auf den Aufschwung in den USA, das Wachstum in den mittel- und osteuropäischen Ländern und das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum zurückzuführen. Der Anstieg des privaten Konsums, eine wesentliche Stütze in einer Hochkonjunkturphase, war auch in Wien erkennbar (+1,5 %).
Diese optimistische KonsumentInnenstimmung ist auf eine günstigere Arbeitsmarktlage und den Anstieg des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte zurückzuführen. So sinkt die Arbeitslosigkeit in Wien im Jahr 2017 erstmals wieder seit Beginn der Krise 2008, bleibt mit 13 % (-0,6 PP) jedoch weiterhin auf sehr hohem Niveau. Positiv stimmen die Beschäftigungszuwächse (+1,9 %): sie sind so hoch wie zuletzt in den 1990er-Jahren (mit einer Ausnahme 2011 +1,8 %). Vor allem im für Wien so wichtigen Dienstleistungsbereich hat die Nachfrage nach Arbeitskräften zugenommen, was der Prognose nach auch im Jahr 2018 anhalten soll.
Arbeitslosenquote in Wien, Jahresdurchschnittswerte
Der Aufschwung kommt nicht allen zugute
Die meisten Bevölkerungsgruppen Wiens haben vom Beschäftigungszuwachs und sinkender Arbeitslosigkeit profitiert. Es bleiben jedoch Zweifel, dass der Konjunkturaufschwung bei allen Teilen der Bevölkerung ankommt. Der Arbeitsmarkt ist weiterhin durch Prekarisierung und hohen Wettbewerb geprägt. Strukturelle Defizite am Arbeitsmarkt, die mit einem temporären Wirtschaftsaufschwung nicht einfach kompensiert werden können, bleiben bestehen. Zudem ist die Situation am Wiener Arbeitsmarkt angespannt durch Arbeitskräfte aus der EU und vor allem aus Osteuropa.
Differenziert man nach dem Alter, so ist die einzige Bevölkerungsgruppe mit steigenden Arbeitslosenzahlen 2017 die Gruppe der älteren ArbeitnehmerInnen über 55 Jahre (+8,3 % im 1. Halbjahr 2017). Dies dürfte weiterhin auf demographische Faktoren (zunehmendes Eintreten der Baby-Boomer Generation in diese Alterskohorte) einerseits sowie auf die weitverbreitete Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt und schlechtere Wiederbeschäftigungschancen andererseits zurückzuführen sein. Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen nahm im Jahresschnitt 2017 zu (+1,9 %).
Zu vermuten ist, dass die generell gestiegene Arbeitsnachfrage trotz Konjunkturaufschwungs bei diesen Gruppen nicht ankommt. Es bedarf gezielter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, um eine Senkung der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Konkrete beschäftigungsfördernde Politikmaßnahmen wie die „Aktion 20.000“ für ältere Langzeitarbeitslose zeigten in der rezenten Vergangenheit einen nachweislichen Rückgang der Arbeitslosigkeit in dieser Zielgruppe, so auch in Wien (-0,2 % Oktober 2017). Die Nachfrage des Arbeitsmarktes alleine hätte vermutlich keine nachhaltige Verbesserung nach sich gezogen. Wertvolle berufliche Erfahrungen, Qualifikationen und Kenntnisse jener Personen, die zum Teil aufgrund von Altersdiskriminierung abgelehnt wurden, können dadurch wieder nutzbar gemacht werden. Ältere Menschen in Beschäftigung zu bringen ist nicht nur ein Mehrwert für das Gemeinwohl, sondern trägt auch zum weiteren Wachstum der Wiener Wirtschaft bei.
Weiterführende Informationen
Konjunkturbericht Herbst 2017
Rathauskorrespondenz zum Wiener Konjunkturbericht Herbst 2017 (16.1.2018)
Zur Autorin
- Alina Pohl studierte Volkswirtschaft und Geschichte in Wien und arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik.
2 Kommentare
Super Blogeintrag! Kompetente Kraft diese Frau Pohl.
Schön, dass nicht nur der Wirtschaftsaufschwung thematisiert wird, sondern im gleichen Atemzug zumindest, wem er zugute oder nicht zugute kommt.
Noch schöner wäre ein wirklich horizontaler Ansatz gewesen (looking beyond GDP!), der gleichzeitig auch Umwelt- oder Gesundheitsaspekte thematisiert: Wie hat sich das Wirtschaftswachstum auf die Umwelt- und Gesundheitssituation in Wien ausgewirkt? Was heißt das für die Lebensqualität? etc.
Beyond GDP eben!