Am 26. August 2015 wurde der Rechnungshofbericht „Konsolidierungsmaßnahmen der Länder“ auf der Homepage des Rechnungshofes veröffentlicht. In diesem Blog-Beitrag wollen wir auf die wesentlichen Diskussionspunkte des Rechnungshofberichts zu den Konsolidierungsmaßnahmen der Stadt Wien eingehen.
Die Finanzsituation kann nicht ohne äußere Umstände bewertet werden
Der Rechnungshof beurteilte die Finanzpolitik in den Jahren 2008 bis 2012 ohne die einschneidenden und umfassenden Entwicklungen und Umstände, mit denen sich die Stadt Wien konfrontiert sieht, zu berücksichtigen. Für eine seriöse Beurteilung der Finanzpolitik der letzten Jahre ist jedoch die Berücksichtigung folgender Umstände absolut notwendig:
- Andauernde Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Bankenkrise seit 2007 und daraus resultierende Auswirkungen auf Arbeitsmarkt, Investitionen, privaten Konsum und öffentliche Haushalte
- Rasches und hohes Bevölkerungswachstum in der Stadt Wien
Andauernde Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Bankenkrise seit 2007
Seit Sommer 2007 entwickelte sich langsam aber stetig die globale Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Bankenkrise, die im September 2008 mit dem Bankrott von Lehman Brothers ihren ersten Höhepunkt fand. Diese führte zu einem beispiellosen Wirtschaftseinbruch in der Realwirtschaft. Daraus resultierte die derzeitige gedämpfte Konjunkturentwicklung und die teilweise extrem hohe Arbeitslosigkeit in vielen EU-Mitgliedsstaaten.
Die Wiener Stadtregierung bekannte sich von Anfang an in enger Abstimmung mit den SozialpartnerInnen – erstmals am 28. Oktober 2008 im Rahmen eines Gipfeltreffens – zu einem aktiven Gegensteuern mit Konjunktur- und Investitionsprogrammen. Die jüngste Vergangenheit zeigt am Beispiel Griechenlands sehr deutlich, dass Austeritätspolitik wirtschaftlich keine nachhaltige Verbesserung bringt. Bereits ab dem Jahr 2009 hat sich die Stadt Wien bewusst und ausdrücklich dazu bekannt, sich aus der Krise hinaus zu investieren. Diese antizyklische Wirtschaftspolitik der Stadt wurde mit Konjunkturbelebungsmitteln und weiteren Investitionsprogrammen in den Folgejahren realisiert, um das Investitionsniveau weiterhin hoch zu halten – bewusst zu Lasten einer maßvollen Erhöhung der Gesamtverschuldung. Ziel war und ist es immer noch, mit gezielten Investitionen ein „selbsttragendes Wirtschaftswachstum“ zu ermöglichen.
Die Wirksamkeit der antizyklischen Investitionspolitik mit maßvoller Neuverschuldung verdeutlicht auch eine Gegenüberstellung der prozentuellen Veränderungen von Einnahmen und Ausgaben gegenüber dem jeweiligen Vorjahr:
2009 | 2010 | 2011 | 2012 | |
---|---|---|---|---|
Ausgaben | +2,72% | +4,11% | +1,89% | +1,53% |
Einnahmen | -1,81% | +1,52% | +3,78% | +4,51% |
Grafik: Antizyklische Wirtschaftspolitik in Wien; Veränderung Schuldenstand vs. Entwicklung Bruttoregionalprodukt
Die antizyklische Wirtschaftspolitik Wiens bedeutet zusammengefasst: Bei guter Konjunktur werden Schulden zurückgeführt und bei schlechter Konjunktur wird eine maßvolle Neuverschuldung für Investitionen in Kauf genommen.
Rasches und hohes Bevölkerungswachstum in der Stadt Wien
Die Stadt wächst und das so schnell wie noch nie zuvor in der zweiten Republik. Allein im Jahr 2014 ist Wien um etwa 33.000 Personen gewachsen – das war zuletzt vermutlich um das Jahr 1900 der Fall. Wien ist mittlerweile so groß wie die 44 größten Städte Österreichs zusammen. Im Jahr 2029 wird Wien vermutlich 2 Millionen EinwohnerInnen zählen. Details zum Bevölkerungswachstum Wiens haben wir in einem anderen Blog-Post aufbereitet! Dieses rasante Wachstum stellt Wien vor neue Herausforderungen, die bereits vorhandene exzellente Daseinsvorsorge weiterhin für alle Menschen gleichermaßen sicherzustellen und für die Metropole der Zukunft weiter auszubauen.
Um den WienerInnen und den künftigen Neu-WienerInnen weiterhin eine Daseinsvorsorge in der gewohnt exzellenten Qualität bieten zu können, braucht es zusätzliche Investitionen in die städtische Infrastruktur. Die Stadt Wien nimmt Geld in die Hand und schafft Werte für die Zukunft: Der Ausbau der kostenlosen Kinderbetreuung, das Wiener Schulbauprogramm, das Krankenhaus Nord oder der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs.
Schulden sind nicht gleich Schulden
Die Wiener Investitionspolitik ist eine bewusste Entscheidung: Auf die Wirtschaftskrise und dem daraus resultierenden Einnahmeentfall wurde bewusst mit einer stärkeren Aufnahme von Fremdmitteln reagiert und damit Investitionen getätigt sowie über die stadteigenen Unternehmen Beschäftigung geschaffen. Insgesamt werden 2015 von der Stadt Wien und ihren Unternehmern und Dienstleistern rund 2,8 Milliarden Euro investiert, um die Wirtschaft in Schwung zu halten und damit Arbeitsplätze zu sichern! Alleine der in diesem Jahr präsentierte Stadtwerke-Effekt bestätigt den Erfolg dieser Investitionsstrategie eindrucksvoll:
Die über 16.000 Beschäftigten generierten 2013 einen Umsatz von drei Milliarden Euro und damit eine geschätzte Wertschöpfung von 1,627 Milliarden Euro. Dieser direkte Effekt aus dem laufenden Betrieb erhöht sich laut den Wirtschaftsforschern um rund 3,2 Milliarden Euro beziehungsweise 35.000 Beschäftigte. Er wird durch Wertschöpfung bei Zulieferern und die gestiegene Konsumnachfrage ausgelöst. Das macht in Summe rund 4,8 Milliarden Euro Wertschöpfung und 50.700 Beschäftigte.
Darüber hinaus investieren die Wiener Stadtwerke durchschnittlich mehr als 767 Millionen Euro im Jahr in die Infrastruktur. Das löst laut Wirtschaftsforschern weitere 900 Millionen Euro aus und schafft 13.600 Arbeitsplätze. In Summe ergibt das für das Jahr 2013 eine Wertschöpfung von 5,724 Milliarden Euro und 64.300 Arbeitsplätze in Österreich.
Dass die Stadt Wien in der jetzigen Wirtschaftskrise überhaupt einen finanziellen Handlungsspielraum für Investitionen hat, liegt vor allem daran, dass in wirtschaftlich besseren Zeiten zwischen 1997 und 2007 der Finanzschuldenstand von 4,016 Milliarden Euro auf rund 1,395 Milliarden Euro gesenkt hat. Heute noch gehört Wien zu den Bundesländern mit der geringsten Verschuldung in Relation zum jeweiligen Bruttoregionalprodukt.
Grafik: Schulden der Bundesländer (inkl. Gemeinden) in Prozent des jeweiligen Bruttoregionalprodukts
Konsolidierung in Wien eingeleitet
Grundsätzlich gibt es nicht nur eine allgemeine, sondern mehrere Konsolidierungsstrategien für einzelne Teilbereiche. Ausgehend von der antizyklischen Wirtschaftspolitik der Stadt Wien, begann die Stadt auf Basis des Stabilitätspaktes die Neuverschuldung nachhaltig zurückzufahren. Obwohl die wirtschaftliche Lage derzeit immer noch sehr angespannt ist, legte die Stadt ihren Fokus darauf, die Vorgaben des Österreichischen Stabilitätspakts einzuhalten. Der Rechnungshof selbst hielt fest, dass die Stadt Wien ihr Stabilitätsziel im Jahr 2012 einhielt. Der Stabilitätspakt gibt überdies die Ziele bei der künftigen Budgetplanung vor. Das heißt, es gibt einen klaren Weg in Richtung Zukunft.
Die wachsende Stadt Wien hat schon vor Jahren auf Maßnahmen zur Kostendämpfung gesetzt und nützt trotz der hohen Investitionen, um die Wirtschaft in der Krise in Schwung zu halten, Potenziale in der Steigerung der Effizienz aus. Zum Beispiel:
- Geriatrie- und Spitalskonzept
- Klare Ziele für die Vereinfachung von Organisation und Verwaltung
- Jede Geschäftsgruppe muss sich an die Vorgaben des Stabilitätspakts halten und im eigenen Bereich Effizienzpotentiale heben
Für den laufenden Aufwand im Bereich des Wiener Krankenanstaltenverbunds beispielsweise gibt es ein eigenes umfassendes Projekt, den „Gesundheitsausgabendämpfungspfad“. Darüber hinaus hat die Stadt Wien frühzeitig und noch während der globalen Finanzkrise Konsolidierungsmaßnahmen erarbeitet, diese hat die Wiener Stadtregierung im Reform- und Wachstumspakt beschlossen.
Stadt setzt bei Darstellung ihrer Finanzen auf volle Transparenz
Wie muss die Stadt Wien ihre Finanzen darstellen?
Die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) ist die derzeit einzige Rechtsvorschrift, die regelt, wie die Stadt ihre Finanzen darstellen muss. An diese muss sich die Stadt uneingeschränkt halten. Es gibt derzeit Verhandlungen zwischen Bund, Rechnungshof und Ländern hier eine neue und bundesweit einheitlich geltende Regelung zu schaffen. In diesem Verhandlungen bringt sich die Stadt Wien proaktiv ein und hat sich auch zur Schaffung einer bundesweit einheitlichen Regelung mehrmals bekannt.
Das betrifft mehrere Dinge, die auch im Rechnungshof angesprochen werden. Die aktuell gültige VRV sieht beispielsweise die Erstellung einer Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung für den gesamten städtischen Haushalts nach Vorbild des Unternehmensgesetzbuches (UGB) nicht vor. Das betrifft zum Beispiel auch eine gesamthafte Darstellung des städtischen Vermögens, die ebenfalls nicht vorgesehen ist.
Was bedeutet das für die Unternehmen der Stadt Wien?
Wirtschaftliche Unternehmungen, die eigene Wirtschaftspläne aufstellen, müssen lediglich mit den abzuführenden Gewinnen oder den zu deckenden Verlusten in den Voranschlag aufgenommen werden. Das betrifft Wiener Wohnen, Wien Kanal und den KAV. Nichtsdestotrotz herrscht zu jeder Zeit volle Transparenz, da Rechnungsabschluss und Budget dieser drei Unternehmungen nicht nur in allen Gremien der Stadt Wien umfassend diskutiert werden, sondern auch in der selben Sitzung wie der Rechnungsabschluss bzw. das Budget der Stadt Wien beschlossen werden.
Darüber hinaus bilanzieren die Unternehmen der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke, Wien Holding) selbstverständlich gemäß den für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften wie jedes andere Unternehmen auch. Deren Jahresabschlüsse sind öffentlich zugänglich und werden jedes Jahr umfassend diskutiert. Die Transparenz, auf die die Stadt in diesem Bereich wert legt, zeigt sich zum Beispiel auch dadurch, dass etwa die Bilanz der Wiener Stadtwerke in einem Ranking der nachvollziehbarsten und transparentesten Jahresberichte aller Unternehmen in Österreich zu den Top drei gehört.
Die Stadt setzt auf Transparenz
Als einziges Bundesland beteiligt sich Wien bei der Online-Plattform www.offenerhaushalt.at, wo die Finanzdaten Wiens übersichtlich und für alle BürgerInnen zugänglich gemacht wurden.
Mit „wien1x1“ startete Vizebürgermeisterin Renate Brauner eine österreichweit einmalige Initiative, in der sie im Rahmen von acht Informations-Veranstaltungen durch ganz Wien getourt ist und sich dort den Fragen der WienerInnen zum Wiener Budget gestellt hat. Darüber hinaus informiert die Initiative auf ihrer Homepage regelmäßig detailliert über Teilbereiche des Wiener Budgets. Hier haben die BürgerInnen ebenfalls die Möglichkeit jederzeit unkompliziert ihre Fragen zum Wiener Budget zu stellen.
Seit dem Rechnungsabschluss 2013 wird dem Abschluss ein Finanzschuldenbericht beigelegt, der detailliert über die Finanzschulden, deren Zusammensetzung und Entwicklung informiert, was in dieser Form ebenso bundesweit einzigartig ist.
Mit dem Rechnungsabschluss 2014 setzte die Stadt Wien weitere Maßnahmen, um die Transparenz in puncto Finanzen weiter zu erhöhen:
- Beteiligungsspiegel
Sämtliche direkten Beteiligungen werden mit ihrem prozentuellen Anteil namentlich aufgelistet und dem Rechnungsabschluss beigelegt, auch wenn das die derzeit geltende Haushaltsordnung nicht vorsieht. Zum Beteiligungsspiegel haben wir detailliert gebloggt. - Neuer Beteiligungsbericht
In Zukunft wird gemeinsam mit dem Rechnungsabschluss ein neuer eigener Bericht der Aktivitäten jener Beteiligungen veröffentlich, in denen die Stadt Wien als Eigentümerin einen beherrschenden Einfluss ausübt. In diesem werden auch so genannte Soft Skills der Unternehmen (zB Auftrag der jeweiligen Gesellschaft – Daseinsvorsorge, kultureller oder wirtschaftlicher Auftrag) berücksichtigt. - Beteiligungscontrolling
Die Stadt Wien wird darüber hinaus ihr Beteiligungscontrolling gemeinsam mit ExpertInnen weiterentwickeln. Dadurch sollen Abläufe und die Wirksamkeit der strategischen Steuerung weiter verbessert werden. Ziel ist, unter Berücksichtigung bereits vorhandener Daten, ein effizienteres Controlling als strategisches Steuerungsmittel für die EIgentümerin zu schaffen.
Weiterführende Downloads
Für alle Interessierten, können hier die wichtigsten Inhalte bequem heruntergeladen werden:
Stellungnahme der Stadt Wien zum Rechnungshofbericht-Prüfbericht
Rechnungsabschluss 2014
Finanzschuldenbericht für den Rechnungsabschluss 2014
Voranschlag der Stadt Wien 2015
Rechnungshofbericht: Konsolidierungsmaßnahmen der Länder – Wien
Rechnungshofbericht: Konsolidierungsmaßnahmen der Bundeshauptstadt Wien