von Maximilian Mayerhofer
Der Warenaußenhandel hat für Wien als Dienstleistungsmetropole eine geringere Bedeutung als für andere Bundesländer. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch interessante regionale Charakteristika: So konzentriert sich der Wiener Warenaußenhandel verstärkt auf einige wenige, vergleichsweise hochpreisige Produktgruppen und weist eine hohe Spezialisierung auf. Die vorhandene Wiener Industrie hat zudem eine hohe Exportfähigkeit, bei den Chemie- und Pharmaprodukten gab es 2023 erstmals einen Handelsbilanzüberschuss. Gemessen an der Industriewertschöpfung wird mehr exportiert als im Österreichschnitt.
Bedeutung für regionale Wertschöpfung
Die Bedeutung des Warenaußenhandels wird üblicherweise anhand von Import- und Exportquoten gemessen, die den Anteil der Importe und Exporte von Waren am Bruttoinlandsprodukt angeben. Die Exportquote Wiens liegt 2023 mit 26,3 % deutlich unter jener Österreichs von 42,4 %. Das ist aufgrund des geringeren Industrieanteils der Bundeshauptstadt im Vergleich zu den restlichen Bundesländern wenig überraschend, da die Wertschöpfung in der Stadt überwiegend im Dienstleistungssektor entsteht. Dahinter stehen auch geografische Voraussetzungen wie eine vergleichsweise gering zur Verfügung stehende Fläche, etwa für besonders flächenintensive Produktionsprozesse, oder der Kostenfaktor für die in Städten oft knappe Ressource Boden.
Bei der Importquote hingegen zeigen sich geringe Unterschiede zwischen Wien (44,8 %) und Österreich (42,8 %). Das ist insofern interessant, als der höhere Industrieanteil Österreichs grundsätzlich auch mit quantitativ höheren Importerfordernissen einhergeht. Dem wirkt jedoch zum einen die hohe Nachfrage Wiens durch ihre Eigenschaft als Großstadt entgegen. Importiert wird nicht nur für die städtische Industrieproduktion, sondern vor allem auch für die rund zwei Millionen Wienerinnen und Wiener, etwa Medikamente oder Energie. Zum anderen ist die vergleichsweise kleine Wiener Industrie äußerst importintensiv: Für die Produktion von beispielsweise pharmazeutischen Gütern wie Arzneimittel, in denen Wien einen hohen Spezialisierungsgrad aufweist, werden mehr Importe benötigt als für die meisten anderen Güter. Insgesamt zeigt sich unter den wichtigsten Gütern des Wiener Außenhandels eine überdurchschnittlich hohe Importintensität.
Hohe Exportintensität
Wien liegt 2023 erstmals seit 2010 wieder an zweiter Stelle beim Export innerhalb Österreichs. Werden die Warenexporte Wiens nicht auf die gesamte Wertschöpfung der Stadt bezogen, sondern lediglich auf jene der Industrie, zeigt sich eine hohe Exportintensität des Industriesektors. Gemessen an der industriellen Wertschöpfung wird in Wien also relativ mehr exportiert als österreichweit.
Durch den Strukturwandel der letzten Jahrzehnte hat der Umfang der Industrie abgenommen, jene des Dienstleistungssektors zugenommen. Für Wiens Wertschöpfung spielt der Warenaußenhandel deshalb eine geringere Rolle als für andere Bundesländer, er ist jedoch stark spezialisiert und exportfähig.
Spezialisierung in Chemie- und Pharmaprodukten
Im Wiener Warenaußenhandel besteht eine vergleichsweise hohe Spezialisierung auf nur wenige Produktgruppen, für die besonders im Export hohe Preise erzielt werden können. Vom gesamten Warenexport 2023 in der Höhe von € 31,3 Mrd. entfallen € 14,6 Mrd. und damit rund die Hälfte (46,7 %) auf die Produktgruppe der chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse. Die darunterfallenden pharmazeutischen Produkte, wie etwa Arzneimittel oder damit verbundene Vorprodukte, haben das höchste Exportvolumen der Stadt. Weitere € 3,4 Mrd. (10,8 %) sind der Gruppe von keramischen Erzeugnissen zugeordnet, worin Schmuck, Perlen und Edelsteine fallen. Auch Fahrzeuge (insbesondere Schienenfahrzeuge und Teile davon) sowie elektrische Maschinen haben mit € 2,7 Mrd. (8,5 %) und € 2,6 Mrd. (8,3 %) Bedeutung für den städtischen Export.
Die Warenimporte Wiens lagen 2023 bei € 53,2 Mrd. Importiert werden nicht nur Vorleistungen der Unternehmen für die Produktion, sondern auch für den Endverbrauch der Haushalte, weshalb die Importe in einer Millionenmetropole besonders hoch ausfällt. Hier machen die chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse mit € 12,7 Mrd. etwa ein Viertel (23,9 %) aus. Neben dem Import für Produkte, die anschließend wieder exportiert werden (z. B. elektrische Maschinen, Fahrzeuge), werden auch € 5,9 Mrd. (11,2 %) an Rohstoffen (insbesondere fossile Brennstoffe) importiert, welche vor allem für die städtische Energieerzeugung verwendet werden.
Die Konzentration des Wiener Warenaußenhandels auf die Chemie- und Pharmaerzeugung hat seit 2010 stark zugenommen: Der Anteil am wertmäßigen Gesamtexport hat sich beinahe verdoppelt und stieg von 26,1 % in 2010 auf zuletzt 46,7 % in 2023 (Österreich 2023: 18,7 %). Die wichtigsten Absatzmärkte für die Wiener Pharmaexporte sind Deutschland (22,5 % der Pharmaexporte) und die USA (18,2 %). Von den chemischen Erzeugnissen gehen 74,5 % nach Belgien.
In dieser Gütergruppe lagen die Warenimporte bisher über den -exporten. 2023 hat sich das gedreht: Die Exporte übertreffen mit € 14,6 Mrd. erstmals die Importe mit € 12,7 Mrd. Daraus ergibt sich bei den chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen ein Handelsbilanzüberschuss von rund € 1,9 Mrd., was 1,6 % des Bruttoregionalprodukts entspricht.
Hoher Außenhandelsbezug unter Industriebeschäftigten
In der Wiener Industrie sind 2023 insgesamt 53.274 unselbstständig Beschäftigte tätig, was rund 6 % der Gesamtbeschäftigung entspricht (Österreich: 16 %). Die Industrie wird hier anhand des Absatzmarktes ihrer Exporte (Inland versus Ausland) grob in drei Bereiche gegliedert: überwiegend exportorientierte Industriezweige, sowohl export- auch inlandsorientiert Industriezweige sowie Industriezweige, die vorwiegend die Inlandsnachfrage bedienen. Der größte Teil der Industriebeschäftigten, nämlich 30.018 Personen (56,3 %), arbeitet in überwiegend exportorientierten Industriezweigen. Dazu zählen etwa die Pharma- und Chemieindustrie, die mehr als die Hälfte ihrer Produktion im Ausland absetzt. 8.287 Beschäftigte (15,6 %) sind in Industrien tätig, die überwiegend die inländische Nachfrage bedienen, darunter etwa die Herstellung von Druckereien oder die Glas- und Keramikproduktion. In den Industrien der restlichen 14.969 Beschäftigten (28,1 %) herrscht ein eher ausgeglichenes Verhältnis zwischen Inlands- und Auslandsnachfrage, wozu beispielsweise die Nahrungs- und Futtermittelproduktion zählt. Die unselbstständig Beschäftigten der Wiener Industrie weisen also insgesamt einen hohen Auslandsbezug auf.
Fazit
Der Außenhandel mit Waren spielt für Wien grundsätzlich eine geringere Rolle als für Österreich, was vor allem am kleineren Industriesektor (und gegengleich größeren Dienstleistungssektor) liegt. Die vorhandene Industrie ist jedoch sehr spezialisiert auf einige Produktgruppen, für die vergleichsweise hohe Preise erzielt werden können. Darunter die Erzeugung von chemischen und pharmazeutischen Produkten, die rund die Hälfte des regionalen Exports ausmachen und 2023 erstmals einen Handelsbilanzüberschuss aufweisen. Die Industrie in Wien ist stark außenhandelsorientiert, was sich an der hohen Exportintensität zeigt. Der Außenhandelsbezug der städtischen Industrie ist relativ gesehen also höher, wenngleich sie quantitativ kleiner ausfällt. Auch bei den unselbstständig Beschäftigten innerhalb der Wiener Industrie zeigt sich, dass ein großer Teil in Industriezweigen tätig ist, die ihre Absatzmärkte vorwiegend im Ausland haben.
Datenhinweis, Anmerkungen
Die hier verwendeten Daten der Außenhandelsstatistik (Statistik Austria) umfassen lediglich den Handel mit Gütern. Dienstleistungen (z. B. der Städtetourismus) werden nicht abgedeckt. Die angeführten Zahlen beziehen sich daher rein auf den Warenaußenhandel.
Bei der Darstellung von Im- und Exportquoten (Im- und Exporte in % am Bruttoinlandsprodukt) muss berücksichtigt werden, dass es sich dabei grundsätzlich um „unechte“ Quoten handelt, da lediglich der Saldo aus Ex- und Importen (die Nettoexporte) in das BIP eingeht.
Über den Autor
- Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).