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Ende der „Aktion 20.000“ trifft Wien besonders hart

von Oliver Picek und Alina Pohl

Vor gut einem Jahr ließ der vormalige Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) die „Aktion 20.000“ anlaufen. Das Ziel war, die Langzeitbeschäftigungslosigkeit von Menschen über 50 Jahren durch geförderte Jobs bei Gemeinden und gemeinnützigen Einrichtungen innerhalb von zwei Jahren bis 2019 zu halbieren. Die Bundesregierung hat das Projekt gestoppt – Wien ist davon stark betroffen.

Während der 6-monatigen Pilotphase im zweiten Halbjahr 2017 reduzierte sich in allen elf Modellregionen, die sich in verschiedenen Bundesländern befanden, die Langzeitarbeitslosenquote der über 50-Jährigen. Der erfolgreichste Arbeitsmarktbezirk in der Steiermark (Voitsberg) schaffte binnen nur vier Monaten bereits beinahe eine Halbierung (-44 %) der über 50 jährigen Langzeitarbeitslosen. Das Paradebeispiel Steiermark zeigte eindrucksvoll, was im Rest Österreichs möglich gewesen wäre, wenn die Aktion nicht vor Beginn der bundesweiten Ausrollung kurz vor dem Jahreswechsel von der neuen Bundesregierung beendet worden wäre.

Langzeitarbeitslosigkeit am Wiener Arbeitsmarkt häufiger als in anderen Bundesländern

Dem Wiener Arbeitsmarkt hätte diese Beschäftigungsmaßnahme besonders viel gebracht. Die Arbeitslosigkeit ist aus verschiedenen Gründen in den städtischen Regionen Ost-Österreichs höher als in den meisten ländlichen oder suburbanen Gegenden. Der Wiener Arbeitsmarkt ist, wie auch in anderen Großstädten, durch einen höheren Anteil an PflichtschulabsolventInnen, die Binnenmigration vom Land in die Stadt, einen höheren AusländerInnenanteil sowie viele EinpendlerInnen aus den umliegenden Bundesländern und den östlichen Nachbarstaaten gekennzeichnet. Anteilig hat Wien daher den höchsten Stand an vorgemerkten Langzeitarbeitslosen in Österreich.


Grafik: Langzeitarbeitslose in Wien und Österreich seit 2008, Rohdaten der Grafik

Ältere Langzeitarbeitslose haben es bei der Jobsuche schwer

Im Jahresschnitt 2017 waren rund 54.787 Personen (das sind 75 % von insgesamt 73.274) als langzeitarbeitslos und damit aktiv arbeitssuchend vorgemerkt. Die übrigen befanden sich größtenteils entweder in Schulungen oder in Abklärung der Arbeitsfähigkeit der Pensionsversicherungsanstalt. Davon wiederum waren 19.099, bzw. rund ein Drittel, älter als 50 Jahre.
Personen über 50 haben es am Arbeitsmarkt besonders schwer. Ihre Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, ist unter anderem aufgrund von verbotener, aber täglich praktizierter Altersdiskriminierung vieler Unternehmen wesentlich geringer. BewerberInnen über 50 Jahre werden oftmals nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.
Laut einer Studie waren die TeilnehmerInnen an der „Aktion 20.000“ im Österreich-weiten Durchschnitt 54,5 Jahre alt und vor der Teilnahme 2,9 Jahre arbeitslos. Viele sind also nicht nur ein Jahr sondern deutlich länger ohne Job. Bei dieser Zielgruppe ist laut Studie davon auszugehen, dass nur 10 bis 15 % die Chance haben, am „normalen“ Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Umgekehrt ausgedrückt: Für 85 bis 90 % der älteren Langzeitarbeitslosen war die „Aktion 20.000“ die einzige Chance, wieder einer geregelten Beschäftigung nachzugehen.

Favoriten, Floridsdorf und die Donaustadt hätten am meisten profitiert

Im Rahmen der Pilotphase der „Aktion 20.000“ haben 321 WienerInnen über 50 Jahre einen Arbeitsplatz erhalten. Im ersten Halbjahr 2018 sind weitere 549 Dienstverhältnisse hinzugekommen, die bereits vor dem Stopp der Aktion zugesagt wurden. Damit gelang insgesamt 870 Personen in Wien der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt durch die „Aktion 20.000“.
Doch statt nur 549 Personen im Jahr 2018 hätten dem ursprünglichen Plan des Sozialministeriums zufolge weitere 6.905 langzeitbeschäftigungslose WienerInnen im Jahr 2018 einen Arbeitsplatz erhalten sollen (Zielvorgabe 2018 des AMS Verwaltungsrates an das AMS, beschlossen 2017).
Was die „Aktion 20.000“ dem Wiener Arbeitsmarkt bringen hätte können, ist in der Visualisierung und der Tabelle zu sehen. Wien-weit hätte die Zahl an Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahre um über ein Drittel reduziert werden können (36,2 %). Insgesamt hätte sich dadurch die gesamte Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Wien (alle Altersgruppen) um 9,4 % im Jahr 2018 verringert (siehe Berechnung). Anhand der Hintergrundfarben in der Grafik erkennt man die Langzeitbeschäftigungslosenquote – und damit die Bedeutung der Aktion 20.000 für den Bezirk.


Grafik: Welche Wiener Bezirke von der „Aktion 20.000“ am meisten profitiert hätten, Rohdaten der Grafik

Errechnet man diese Verteilung einer Reduktion von Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahre für alle Wiener Gemeindebezirke (aliquot nach der Anzahl von Langzeitbeschäftigungslosen insgesamt in den jeweiligen Bezirken), so ist erkennbar, dass die „Aktion 20.000“ in absoluten Zahlen am meisten den drei größten Bezirken Favoriten, Floridsdorf und Donaustadt, gefolgt von Simmering und Meidling, genützt hätte. Die Bezirke innerhalb des Gürtels sowie einkommensstarke Bezirke außerhalb des Gürtels haben vergleichsweise den geringsten Bedarf, weil keiner dieser Bezirke mehr als 2 % der Wiener Langzeitarbeitslosen über 50 beheimatet. Im Mittelfeld finden sich der 3. und 5. Bezirk innerhalb des Gürtels sowie die übrigen Bezirke außerhalb des Gürtels.

Bezirk Gestrichene Arbeitsplätze
für Langzeitarbeitslose*
10., Favoriten 883
21., Floridsdorf 689
22., Donaustadt 560
20., Brigittenau 509
2., Leopoldstadt 472
12., Meidling 464
11., Simmering 461
16., Ottakring 356
15., Rudolfsheim-Fünfhaus 342
23., Liesing 305
3., Landstraße 300
14., Penzing 268
5., Margareten 208
19., Döbling 207
17., Hernals 166
18., Währing 134
13., Hietzing 129
4., Wieden 116
6., Mariahilf 90
7., Neubau 84
9., Alsergrund 82
8., Josefstadt 56
1., Innere Stadt 25
Wien gesamt 6.906

Tabelle: Wie die Wiener Bezirke von der „20.000“ profitiert hätten, * gemäß Zielvorgabe „Aktion 20.000“

Geringe Mehrkosten hätten große Chancen für Betroffene gebracht

Österreichweit wären für die gesamte Aktion während der zweijährigen Projektdauer zusätzlich jährlich 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden – das entspräche 0,1 % der österreichischen Staatsausgaben. Die benötigte Summe ist so gering, weil der Staat für die betroffenen Personen ohnehin Notstandshilfezahlungen leistet. Für die genannten Mehrkosten hätte die öffentliche Hand aber vollwertige Arbeitsleistung zurück erhalten – und den Betroffenen eine realistsiche Chance zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt geboten.

Als Fazit bleibt, dass mehr als jede/r dritte langzeitarbeitslose WienerIn über 50 Jahre durch die „Aktion 20.000“ einen neuen Job gefunden hätte. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass das Programm nach diesem Erfolg sowohl verlängert als auch ausgeweitet worden wäre. Durch den plötzlichen Stopp der Maßnahme Anfang des Jahres bleiben jedoch im Jahr 2018 knapp 7.000 WienerInnen weiterhin langzeitarbeitslos.

 

Zu den AutorInnen

  • Oliver Picek hat Volkswirtschaft in Wien, Paris und New York City studiert und ist Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien.
  •  

  • Alina Pohl hat Volkswirtschaft und Geschichte in Wien studiert und arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik.

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