Zum Inhalt Zum Hauptmenü
  • twitter
  • rss
Menu

Weltfrauentag: Der unterschätzte Beitrag der Wienerinnen zur Wirtschaft

von Maximilian Mayerhofer und Anna Pixer

Der 8. März ist Internationaler Frauentag. Ein Tag, an dem weltweit gleichermaßen auf Diskriminierung als auch auf fehlende Gleichberechtigung von Frauen aufmerksam gemacht werden soll. Im Zentrum steht dabei die Notwendigkeit gleicher Rechte, Chancen und Möglichkeiten aller Menschen, unabhängig ihres Geschlechtes, ihrer Lebens- oder Berufslage. Neben wichtigen Schritten in Richtung Geschlechtergerechtigkeit lohnt sich dabei auch ein Blick auf die tatsächliche Leistung von Frauen für Wirtschaft und Gesellschaft: Diese ist zwar unabdingbar, erfährt aber vor allem in Form unbezahlter Arbeit zu wenig Wertschätzung – sowohl auf globaler Ebene, aber auch in Österreich und in Wien.

Wo arbeiten die Wiener Frauen?

Die Wienerinnen sind vielfältig. Sie stellen etwas mehr als 51 % der Wiener Bevölkerung (2022) und rund 47 % aller Erwerbstätigen in Wien (2019). Sie sind in jeder Branche vertreten – auch wenn es teils sehr starke Unterschiede beim jeweiligen Frauenanteil gibt. Die drei relevantesten Branchen, die am stärksten von weiblichen Arbeitskräften dominiert werden, sind das Gesundheits- und Sozialwesen (71 % Frauen), Erziehung und Unterricht (68 % Frauen), sowie die sonstigen Dienstleistungen (60 % Frauen), worunter beispielsweise persönliche Dienstleistungen wie Friseursalons, Nagelstudios oder Wäschereien fallen. Unterrepräsentiert sind Frauen vor allem im Bau und dem Verkehr, die ebenfalls einen großen Teil der Wiener Erwerbstätigen ausmachen. Hier ist nur jede zehnte (Bau) bzw. jede fünfte (Verkehr) Arbeitskraft weiblich. In der erwerbsgrößten Branche in Wien, dem Wiener Handel, ist das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen, während in der nächstgrößten nicht-frauendominierten Branche, der Warenherstellung, der Frauenanteil auf weniger als ein Drittel sinkt. Österreichweit zeigen sich ähnliche Trends – mit Ausnahme der Gastronomie, die bundesweit deutlich stärker von Frauen vertreten wird als in Wien.

Der Beitrag von Frauen zur Wiener Wirtschaft

Die hohe Arbeitsbeteiligung der Wienerinnen führt zu einem beträchtlichen Anteil von Frauen am Wiener Bruttoregionalprodukt. Dieses betrug im Vorkrisenjahr 2019 rund 100 Milliarden Euro – etwa ein Viertel der gesamtösterreichischen Wertschöpfung. Dabei ist der Wertschöpfungsbeitrag je Branche sehr unterschiedlich: Am höchsten ist er in den hochspezialisierten freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (darunter fallen zum Beispiel Reinigungskräfte oder die Arbeitskräfteüberlassung). Dort werden zusammen rund 14 % der 100 Milliarden Euro erwirtschaftet. Der Handel als beschäftigungsstärkste Branche liegt auf Platz zwei beim Beitrag zur Wiener Wertschöpfung. In Summe stellen diese drei Branchen rund ein Viertel des Wiener Bruttoregionalproduktes dar und verfügen zudem über einen relativ ausgeglichenen Frauenanteil. Trifft man die sehr vereinfachende Annahme, für jede Wiener Branche den Frauenanteil unter den Erwerbstätigen (in Vollzeitäquivalenten*) auf die jeweilige Wertschöpfung der Branche umzulegen, lässt sich der Wertschöpfungsbeitrag von Frauen zur Wiener Wirtschaft näherungsweise berechnen. Demnach wären Frauen in Wien für grob 45 % des Bruttoregionalproduktes verantwortlich.

Unbezahlte Arbeit: Die Lücke im Bruttoinlandsprodukt

Frauen tragen somit einen großen Teil zur Wiener Wirtschaftsleistung bei. Da das Bruttoregionalprodukt jedoch nur die bezahlten und am Markt verkauften Güter und Dienstleistungen misst, bleibt ein erheblicher Teil der geleisteten Arbeit stark unterbelichtet. Das betrifft etwa Hausarbeit, Kinderbetreuung, Freiwilligenarbeit und Sorgearbeit generell – also all jene Arbeit, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft ebenfalls stützt, jedoch nicht entlohnt wird und überproportional von Frauen geleistet wird.

Die fehlende Wertschätzung von unbezahlter Arbeit ist kein neues Phänomen. Auch der Internationale Währungsfonds beschäftigte sich unlängst damit, und berechnete den Beitrag der unbezahlten Arbeit zum Bruttoinlandsprodukt unterschiedlicher Länder. Für Österreich schätzten die Autor*innen den Beitrag auf 29 % des BIP. Würde dieser Anteil auf das Wiener Regionalprodukt umgelegt, entspräche das einer zusätzlichen Wertschöpfung von rund 29 Milliarden Euro rein durch die nicht entlohnte Arbeit. Eine weitere Untersuchung aus Österreich, die den Anteil unbezahlter Arbeit am BIP schätzt, kommt auf sehr ähnliche Werte (Schappelwein, 2018). Der Großteil davon wird von Frauen entrichtet: Laut Statistik Austria verwenden Frauen in Wien über vier Stunden täglich für Sorgearbeit, Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Pflege von Haushaltsmitgliedern, Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit oder Vereinstätigkeit. Bei Männern sind es nur rund zweieinhalb Stunden. Umgerechnet auf die Lücke des unbezahlten Mehrwerts im Bruttoregionalprodukt Wiens entrichten Wienerinnen 18,5 Milliarden Euro, Wiener 10,8 Milliarden Euro an unbezahlter Arbeit im Jahr.

Auch bezahlte Arbeit ist ungleich verteilt

Auch am bezahlten Arbeitsmarkt gibt es große geschlechterspezifische Differenzen: Frauen verdienen in ganz Österreich, in jedem Bundesland, und ebenso jedem Wiener Gemeindebezirk durchschnittlich weniger als Männer. Auch wenn man nur ganzjährig vollzeitbeschäftigte Dienstverhältnisse berücksichtigt (und so die hohe Teilzeitquote unter Frauen beachtet), reicht der durchschnittliche Gender Pay Gap von 3,8 % in der Brigittenau (bei einem generell niedrigeren Lohnniveau) bis zu 31,4 % in der Inneren Stadt. Neben der Tatsache, dass Frauen seltener in Führungspositionen sind und vermehrt in schlechter bezahlten Branchen arbeiten, wird ein Teil der Gehaltsunterschiede geschlechterspezifischer Diskriminierung zugeordnet. Österreichweit ist der Gender Pay Gap am höchsten in Vorarlberg und am geringsten in Wien.

Zusätzlich zu geschlechterspezifischen Gehaltsunterschieden scheinen zudem auch manche beruflichen Aufgaben, welche die Kindererziehung, Pflege und soziale Tätigkeiten betreffen und vermehrt von Frauen ausgeführt werden, schlechter bezahlt zu sein als andere. Als Beispiel: Das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (71% Frauen) ist um mehr als ein Drittel niedriger als jenes im eher männerdominierten Informations- und Kommunikationsbereich. Beschäftigte in Erziehung und Unterricht (68% Frauenquote) verdienen um etwas weniger als ein Viertel weniger. Vergleicht man das Gesundheits- und Sozialwesen mit der beschäftigungsstärksten Branche in Wien (dem Handel), ergibt sich ein Gehaltsunterschied von 12 %.

Fazit

Die Wienerinnen sind maßgeblich für das Funktionieren der Wiener Wirtschaft mitverantwortlich. Sie tragen einen beträchtlichen Teil zum Bruttoregionalprodukt bei, und leisten zudem den Großteil der unbezahlten Arbeit. Sie stützen so das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Wien auf viele Arten, die jedoch nicht unmittelbar in wirtschaftlichen Kennzahlen repräsentiert sind. Dabei sollte sich die Wertschätzung von Frauen vor allem auch in Form von Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, gleicher Entlohnung und insbesondere in der Wertschätzung von unbezahlter Arbeit ausdrücken. Und das nicht nur am Internationalen Weltfrauentag.

 

* Glossar bzw. Methodik

Vollzeitäquivalente: Division von jährlich geleistetem Arbeitsvolumen (Summe der tatsächlichen jährlichen Arbeitsstunden aus Haupt- und Zweittätigkeit) durch die durchschnittliche tatsächlich erbrachte Arbeitszeit von Vollzeiterwerbstätigen. Das Ergebnis (sog. Vollzeitäquivalente) stellt die Anzahl der „Vollzeit-Stellen“ auf Basis der geleisteten Arbeit dar.

Berechnung des Frauenanteils am monetären BRP: Die Berechnung basiert auf der Annahme eines gleichen Anteils zum BRP pro Vollzeitäquivalent (also alle Teilzeitkräfte in entsprechende Vollzeitkräfte transponiert) in der jeweiligen Branche. Die Annahme ist stark vereinfacht und dient als Annäherung.

Berechnung des Frauenanteils am unbezahlten BRP: Der Wert unbezahlter Arbeitsstunden wird hochgerechnet, würden diese aliquot ähnlichen Tätigkeiten entlohnt werden. Dieser monetäre Gesamtwert wird dann am BIP gemessen. Der Frauenanteil an dieser unbezahlten Arbeit basiert auf der Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria. Demnach werden pro Tag in Wien 6 Stunden und 42 Minuten für Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Pflege von Haushaltsmitgliedern, Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und Vereinstätigkeit aufgebracht, wovon 4 Stunden und 14 Minuten auf Frauen entfallen. Das heißt: Von der täglichen unbezahlten Arbeit sind 63% Frauen zuzuschreiben. Dieser Anteil wird auf das gesamte „unbezahlte BRP“ hochgerechnet.

 

Zu den Autorinnen und Autoren

  • Maximilian Mayerhofer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).
  •  

  • Anna Pixer arbeitet im Dezernat Wirtschaft der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23).

Einen Kommentar schreiben

Bitte beachten Sie

  • Ihre E-Mail wird privat gehalten.
  • Pflichtfelder sind markiert mit *
Kommentar



Datenschutzbestimmungen

  • twitter
  • rss