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Wien ist das „Norwegen Österreichs“

Wenn Bundesländer Staaten wären…

von Franz Trautinger

Vor einiger Zeit verglich die „Süddeutsche Zeitung“ anlässlich der Veröffentlichung der deutschen Bruttoregionalproduktwerte 2016 die deutschen Bundesländer mit souveränen Staaten. Nicht ohne Augenzwinkern wurde unter anderem festgestellt, dass Thüringen das „Usbekistan Deutschlands“ sei. Als Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien, die für Wirtschaft, Arbeit und Statistik zuständig ist, wollen wir den Wienerinnen und Wienern sowie anderen interessierten Menschen derartige Vergleiche auf österreichischer Ebene nicht vorenthalten.

Die „Karibik Österreichs“ ist das Burgenland

Als Wiener Amt haben wir beschlossen, unseren Vergleich noch „ordentlicher“ anzugehen als die bundesdeutschen JournalistInnen. Deshalb beginnen wir zunächst mit dem Grundlegendsten: der Bevölkerung.

Die österreichischen Bundesländer können, was ihre Größe betrifft, bekannterweise zwar nicht mit den meisten ihrer deutschen Gegenparts mithalten, vor einigen Klein- und Kleinststaaten brauchen wir uns aber nicht zu verstecken. Wien ist – in bevölkerungstechnischer Hinsicht – das „Lettland Österreichs“, wie die Grafik zeigt. Aber auch das einwohnerInnenschwächste Land, das Burgenland, ist ähnlich stark besiedelt wie der souveräne karibische Inselstaat Barbados.

Vergleicht man die Bruttoregionalprodukte der Bundesländer mit den Bruttoinlandsprodukten (in EUR, Nominalwerte) von Staaten, bemerkt man, dass die Wirtschaftsleistung des stärksten Bundeslandes Wien jener von ganz Ecuador oder der gesamten Slowakei entspricht. Abermals ist das Burgenland das „kleinste“ Land, kann aber wirtschaftlich locker mit den Bahamas – wieder ein Inselkönigreich in der Karibik – mithalten. In der zweitgrößten regionalen Wirtschaft des Landes, Oberösterreich, wird jährlich so viel Wert geschaffen wie im gesamten Oman. Vier Länder (W, St, NÖ, OÖ) übertreffen das BIP des Nachbarlandes Slowenien.

Wohlstand: Wien und Salzburg gleichauf mit Hongkong und Norwegen

Schließlich wollten wir auch noch vergleichen, in welchen Bundesländern am meisten Wohlstand vorherrscht und wie dieser in einer internationalen Perspektive einzustufen ist. Wir haben uns für das BIP/Kopf in EUR-Kaufkraftstandards (KKS) als Indikator entschieden. Diese Kenngröße misst nicht nur die Wertschöpfung pro Kopf, sondern setzt sie auch in Relation zum lokalen Preisniveau. Länder wie Tschechien, in denen noch relativ günstig produziert wird und wo es niedrige Löhne gibt, schneiden ähnlich ab wie Spanien, weil auch die Preise in Tschechien für die KonsumentInnen deutlich geringer sind.

Man kann sich also (theoretisch) als tschechische/r NormalbürgerIn, obwohl man formal weniger Einkommen hat, genauso viel leisten wie die SpanierInnen. Theoretisch deshalb, weil das BIP/Kopf in KKS nichts über die Verteilung der Wertschöpfung aussagt. Also: Wie viel von dem gemeinsam Erwirtschafteten fließt in die Löhne und kommt der breiten Bevölkerung zugute, wie viel bleibt bei den Unternehmen (siehe auch Lohnquote bzw. Lohnstückkosten)?

Hier liegen Wien und Salzburg fast gleichauf, das ehemalige Fürsterzbistum ist derzeit um 100 fiktive Euro vorne. Wien ist somit das „Norwegen“, Salzburg das „Hongkong Österreichs“.

Nicht zufällig findet man bei diesem Vergleich ausschließlich gemeinhin als „reich“ bekannte Staaten vor: in allen Regionen Österreichs herrscht global gesehen erheblicher Wohlstand. Das Burgenland ist zwar in diesem Fall (ganz anders als die kleine große Schwester Vorarlberg) der Nachzügler, das Wohlstandsniveau ist aber ähnlich hoch wie in Südkorea oder Spanien (oder – für die aufmerksamen LeserInnen ist dies eine Wiederholung – wie in Tschechien).

Fünf Bundesländer vor Deutschland – Schweiz in Reichweite – Liechtenstein uneinholbar

Den Vergleich mit den Nachbarländern brauchen die österreichischen Bundesländer ebenfalls nicht zu scheuen: Beim „Wohlstand“ (gemessen am BIP/Kopf in KKS) überholen wir alle unsere postsozialistischen NachbarInnen, wobei Tschechien schon fast auf das burgenländische Niveau aufschließen konnte. Acht Bundesländer liegen vor Italien, und immerhin fünf (S, W, V, T, OÖ) „gewinnen“ den emotional aufgeladenen Vergleich mit Deutschland. Liechtenstein bleibt zwar uneinholbar, die Schweiz ist – bezogen auf den „Wohlstand“ – zumindest für Wien und Salzburg in Reichweite.

Rein quantitativ können also viele Bundesländer mit einigen Staaten mithalten. Das liegt zum einen an der Existenz zahlreicher Kleinstaaten. Zum anderen hängt es damit zusammen, dass die österreichischen Bundesländer über eine so hohe Wirtschaftskraft (pro Kopf) verfügen, wie wenige andere Regionen der Erde.

UtopistInnen, die jetzt von der Wiederherstellung des unabhängigen Fürsterzbistums Salzburg oder einer „Ehemalig österreichischen Republik Vindobona“ träumen, seien aber gewarnt: Die österreichische Wirtschaft hängt stark von den innerösterreichischen und europäischen Verflechtungen ab, sowohl was Dienstleistungen und Güter, als auch was Arbeitskräfte(mobilität) und die aufeinander abgestimmte Wirtschaftspolitik betrifft. Und selbst wenn man Anhänger des Milton-Mottos „Better to reign in hell than to serve in heaven“ ist und z.B. in Wien Berge, Wälder, Gewässer und ausreichend Melanzani, Gurken, Paradeiser, Pfefferoni und Paprika zur Verfügung stünden: Würden uns etwa die Rax (die nur noch nach Passkontrolle zu erreichen wäre), der burgenländische Wein (für den Zölle zu bezahlen wären) oder die meisten anderen Gemüsesorten nicht trotzdem abgehen?

 

Weiterführende Informationen

„Wenn Bundesländer Staaten wären“ im „Kurier“ in Anlehnung an diesen Blogbeitrag (14.7.2018)

Zum Autor

  • Franz Trautinger ist Leiter der Stabsstelle Kommunikation der Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien.

Ein Kommentar

  • 16. Juli 2018 von Kurt Hahn

    Sehr interessante Vergleiche, z.B. schafft das Burgenland dasselbe Pro Kopf Einkommen wie Südkorea und dass ganz ohne Weltkonzerne wie Samsung, Daewoo, LG, etc, oder Niederösterreich mit Frankreich, was auf eine Überschätzung der Bedeutung von Eliteunis hinzudeuten scheint.
    Es liegen auch 8 Bundesländer vor Italien, obwohl Ferrari in Italien produziert wird.
    Bei der Fülle an interesanter Information sieht man auch gerne über die nicht ganz einheitliche Schreibweise der Ländernamen hinweg, z.B. Cabo Verde für Kapverden, aber nicht Cote C’Ivory für Elfenbeinküste, aber das stört nicht den Gesamteindruck.
    Ähnlich Brüche gibt es auch im Text, der Größtenteils aber nicht durchgehend auf Deutsch geschrieben wurde.
    Fremdsprachige Einsprengsel wie „tschechische/r NormalbürgerIn“ eignen sich vielleicht dür Denksportaufgaben (was entspricht im linken Wort dem Rechten) nicht aber für einen flüssigen Lesefluss.
    Dennoch wieder ein gelungener Artikel des Kommunikationschefs der MA 23.

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